Neurostress – krank durch chronischen Stress?

Neurostress – krank durch chronischen Stress?

Die Zahl der psychischen und neurovegetativen, d.h. durch eine gestörte Reizleitung des Nervensystems bedingte Erkrankungen ist in den letzten Jahren in den westlichen Industriestaaten stark angestiegen. Eine veränderte Lebensweise, eine einseitige und zu energiereiche Ernährung, Bewegungsmangel, Reizüberflutung sowie schulische oder berufliche Belastungen sind nur einige Beispiele für die Entstehung und Zunahme von stressbedingten Erkrankungen. Langanhaltende Stresssituationen führen dazu, dass das Zusammenspiel der Bereiche Gehirn, peripheres Nervensystem, Hormonsystem und Immunsystem so gestört wird, dass gravierende gesundheitliche Probleme auf psychischer und körperlicher Ebene entstehen können. Dieses komplexe Thema wird in der Medizin unter dem relativ neuen Begriff „Neurostress“ zusammengefasst.

Mediziner verstehen unter Neurostress die Einflussfaktoren und die daraus resultierenden Folgeschäden von langanhaltenden, chronischen Stressphasen. Neben persönlichen, sozialen, physischen (schwere Arbeit, Sport) oder psychischen (Schicksalsschläge, Konflikte, Einsamkeit) Stresssituationen zählen auch Faktoren wie z. B. eine einseitige Ernährung (metabolischer Stress) oder Umweltgifte wie Schwermetalle, Schadstoffe und Chemikalien (chemischer oder physikalischer Stress), Lärmbelastung und permanente Reizüberflutung (sensorischer Stress) sowie Infektionen, Verletzungen oder Entzündungen zu weiteren Stressoren, die auf den Körper einwirken und mit gesundheitlichen Beschwerden einhergehen. Bei jedem Menschen ist die so genannte Stresstoleranz individuell ausgeprägt, d. h. jeder Mensch reagiert ganz unterschiedlich auf langanhaltende Stressphasen. Bei immer mehr Menschen entstehen jedoch gesundheitliche Beschwerden, die in dann Krankheiten übergehen können.[1]

Was bedeutet aber Neurostress für den menschlichen Organismus und was sind aber die Ursachen für die Zunahme stressbedingter Erkrankungen? Welche Rolle spielen die Hormone, Neurotransmitter und das Immunsystem bei der Stressbewältigung? Wie sehen die gesundheitlichen Auswirkungen und Folgen durch Neurostress aus und welche Therapiemöglichkeiten stehen zur Auswahl?

Neurostress – Stress und die Ursachen für die Zunahme stressbedingter Erkrankungen

Der menschliche Körper reagierte schon immer auf die gleiche Art und Weise auf Stresssituationen. Stress bewirkt eine automatisch ablaufende Aktivierungsreaktion des gesamten Organismus auf Stressoren oder mögliche Bedrohungen im Zusammenspiel mit der aktuellen Belastbarkeit, bereits gemachten Erfahrungen und persönlichen Denkmustern. Urzeitmenschen nutzten in lebensbedrohlichen Situationen die in Stressphasen plötzlich zur Verfügung stehende Energie entweder für Kämpfe oder zur Flucht. Danach setzte eine Erholungsphase für den Körper ein. In den westlichen Industriestaaten befinden sich die Menschen eher selten in lebensbedrohlichen Situationen. Im Vordergrund stehen vielmehr Stressoren, also Faktoren wie z. B. permanente Reizüberflutung oder Dauerstress im Büroalltag. Das größte Problem der heutigen Zeit sind die fehlenden Erholungsphasen im Anschluss an die Stressreaktionen. Die gesundheitlichen Auswirkungen und Folgen auf die dauerhaften Stressreaktionen wie z.B. Konzentrationsstörungen, Angstgefühle und Nervosität können gravierend sein.

Es sollte aber immer beachtet werden, dass Stress nicht gleich Stress ist: es wird zwischen positivem und negativen Stress unterschieden. Während positiver Stress eher als beflügelnd erlebt wird, wirkt sich negativer Stress in Form von Überforderung, Ohnmacht und Hilflosigkeit aus. Die persönliche Bewertung und Wahrnehmung von Stress und der Stressoren entscheidet letztendlich darüber, was als Stress erlebt wird und was nicht.[2]

Als Gründe für die Zunahme stressbedingter Erkrankungen werden unter anderem veränderte Lebensgewohnheiten angesehen. Dazu gehören eine einseitige Ernährungsweise und Bewegungsmangel, eine permanente Reizüberflutung und das exzessive Benutzen moderner Kommunikationsmedien. Auch Faktoren wie eine steigende Belastung in der Schule, im Beruf und auch in der Freizeit sowie Konflikte, Mobbing und Konkurrenz in Unternehmen oder die permanente Anpassung an Veränderungsprozessen können zu gesundheitlichen Problemen führen.[3]

Die am häufigsten auftretenden gesundheitlichen Folgen auf chronischen Stress sind Schlaflosigkeit, Leistungs- und Konzentrationsschwäche, Nervosität oder Burnout, aber auch Essstörungen, Überempfindlichkeitsreaktionen gegen Nahrungsmittel, Stimmungsschwankungen, Ängste oder Depressionen gehören zu den Auswirkungen.[4]  Die wichtigsten Erkrankungen, die durch Neurostress ausgelöst werden können, sind z.B. Chronischer Stress, Burnout-Syndrom, Fatigue (Müdigkeit, Erschöpfung), CFS (Chronisches Müdigkeitssyndrom), MCS (Multiple Chemische Sensitivität), FMS (Fibromyalgie), Depression und saisonale Depression, Adipositas (Übergewicht), Kopfschmerzen und Migräne, Colon irritable (Reizdarmsyndrom), ADS und ADHS.

An der körperlichen Stressbewältigung sind das hormonelle (endokrine) System, das zentrale Nervensystem (Neurotransmitter), das periphere vegetative (autonome) Nervensystem und das Immunsystem beteiligt. Befinden sich die Systeme dauerhaft im Alarmmodus, können eine Vielzahl an stressbedingten Gesundheitsstörungen, wie z. B. Burnout und stressbedingte Erschöpfungszustände entstehen. Neurostress beschreibt letztendlich die physiologischen Veränderungen der Neurotransmitter im Gehirn. Mediziner verstehen unter Neurotransmitter die biochemischen Botenstoffe des Gehirns, die an der Reiz- und Nachrichtenübertragung zwischen den Synapsen der Nervenzellen beteiligt sind. Die Synapsen sind die Kontaktstellen zwischen den Nervenzellen. Ist das normalerweise ausgewogene Verhältnis der Neurotransmitter gestört, hat das gravierende Folgen auf die Gesundheit des Körpers und der Psyche.

Neurostress – Hormone, Neurotransmitter, Immunsystem

Stressreaktionen erfolgen im Organismus immer als Zusammenspiel zwischen dem zentralen und peripheren Nervensystem, dem Hormonsystem und der Immunabwehr. Reagiert der Körper auf eine Belastungssituation, kommt es zur Aktivierung dieser Systeme. Eine zentrale Rolle spielen dabei die Hormone CRH, Cortisol und DHEA und die Neurotransmitter (Botenstoffe) Noradrenalin, Adrenalin, Dopamin und Glutamat mit anregender Wirkung sowie Serotonin und Gamma Aminobuttersäure (GABA) mit dämpfender Wirkung und auch das Immunsystem übernimmt eine zentrale Rolle in der Stressbewältigung.

Wichtige Hormone zur Stressbewältigung

Die Hormone CRH, Corisol und DHEA spielen eine zentrale Rolle für die körperliche Stressreaktion auf Belastungssituationen.

Corticotrophin-Releasing-Hormon (CRH)

Das Hormon Corticotrophin-Releasing-Hormon mit der Abkürzung CRH steuert im Hypothalamus des Gehirns die Stressreaktion im menschlichen Organismus.  Das CRH außerhalb des Hypothalamus ist für die Steuerung der autonomen Reaktionen wie z. B. die Atmung, Verdauung und Stoffwechsel des vegetativen Nervensystems, bestehend aus Sympathikus, Parasympathikus und Eingeweidenervensystem, zuständig.

Gerät der Körper in eine Stresssituation, wird das CRH im Hypothalamus aktiviert, was wiederum für eine Mobilisierung von ACTH und damit für eine gesteigerte Sekretion des wichtigsten Stresshormons Cortisol aus der Nebennierenrinde mit seinen vielen Wirkungsbereichen sorgt. Durch einen Rückkopplungsmechanismus hemmt der Anstieg von Cortisol rückwirkend solange die CRH- und ACTH-Sekretion bis es wieder zu einer Normalisierung der Cortisolmenge kommt.

Neben dieser zentralen Wirkung spielt das CRH auch bei der autonomen, vegetativen Stressreaktion eine wichtige Rolle. CRH wirkt auf die Motivation und Gemütslage des Menschen, steuert den Appetit und das Essverhalten, wirkt auf die Funktionen des Magen-Darm-Traktes und stellt Energie bereit. Außerdem wirkt CRH unmittelbar auf die Immunzellen und steigert die Immunantwort.[5]

Cortisol

Cortisol ist das wichtigste Stresshormon im menschlichen Organismus. Es gehört zu den biochemischen Botenstoffen (Hormonen) und wird in den Nebennieren gebildet. Cortisol verfügt über einen sehr breitgefächerten Wirkungsbereich und ist an vielen Stoffwechselprozessen, an der Regulation des Wachstums und an der Aktivierung des Energiestoffwechsels beteiligt, um besser auf körperliche und psychische Belastungen reagieren zu können. Cortisol bewirkt einen Anstieg der Körpertemperatur, hemmt sowohl Schmerz- als auch Entzündungsreaktionen sowie die Immunabwehr. [6]

Bei der Stressbewältigung arbeitet Cortisol eng mit dem Hormon CRH und den Neurotransmittern Noradrenalin, Adrenalin, Dopamin, Serotonin, GABA und Glutamat zusammen. Die Hormone CRH und ACTH (adrenocorticotropes Hormon) stimulieren die Ausschüttung von Cortisol in der Nebennierenrinde. Durch den Rückkopplungsmechanismus hemmt Cortisol wiederum die weitere Sekretion von CRH und ACTH, was eine Normalisierung der Cortisolmenge zur Folge hat. Die Botenstoffe Noradrenalin und Serotonin sorgen für eine Anregung der CHR- und damit auch der Cortisol-Ausschüttung. In Stressphasen stimuliert CRH im Gegenzug die Ausschüttung von Noradrenalin.

Ein Ungleichgewicht innerhalb dieser Abläufe kann zu einem Überschuss oder Mangel an Cortisol führen und mit verschiedenen Beschwerden einhergehen. Bei einem Cortisol-Überschuss können Stoffwechselstörungen, Übergewicht, Diabetes, Immundefekten oder Depressionen entstehen, ein Mangel an Cortisol kann Entzündungen, Antriebsschwäche und Erschöpfung zur Folge haben.

Die Ursache für einen Cortisol-Mangel kann langanhaltender, chronischer Stress sein und wird häufig beim Burnout-Syndrom beobachtet.[7]

Dehydroepiandrosteron (DHEA)

DHEA ist die Abkürzung für Dehydroepiandrosteron und ist ein wichtiger Vorläufer der weiblichen und männlichen Geschlechtshormone. Es handelt sich dabei um ein im menschlichen Körper am häufigsten vorkommenden Steroidhormon, dass hauptsächlich in der Nebennierenrinde gebildet und bei Männern und bei Frauen in die Sexualhormone Östrogen und Testosteron umgewandelt wird. Die Produktion von DHEA wird wie bei dem Stresshormon Cortisol durch ACTH angeregt.

Dem Hormon DHEA werden positive Effekte z. B. auf die Gemütslage, den Sexualtrieb, die Muskelmasse oder die Abwehrfunktionen zugeschrieben. Es fördert den Muskelaufbau, wirkt auf den Fettstoffwechsel, indem es den LDL-Cholesterin-Spiegel im Blut senken und die HDL-Werte erhöhen soll, hemmt Entzündungen, aktiviert das Immunsystem und verfügt über antidepressive Eigenschaften. Die DHEA-Produktion sinkt allerdings mit fortschreitendem Alter, der DHEA-Spiegel im Blut nimmt dadurch ab und kann zu gesundheitlichen Beschwerden wie z.B. Muskelabbau, Müdigkeit, eingeschränkte geistige Leistungsfähigkeit, Erschöpfung, Gewichtszunahme, Libidoverlust, Schlafstörungen und Depressionen führen.[8] Nicht nur im Alter kann der DHEA-Spiegel im Blut vermindert sein, auch chronischer Stress und Autoimmunerkrankungen sorgen auch für eine verminderte DHEA-Produktion.

Wichtige Neurotransmitter bei der Stressbewältigung

Für die Übertragung von Informationen und Nachrichten zwischen den Nervenzellen sind die Neurotransmitter (Botenstoffe) im Gehirn zuständig. Sie spielen eine zentrale Rolle im Bereich der Stressbewältigung. Die wichtigsten Neurotransmitter mit anregender Wirkung sind Noradrenalin, Adrenalin, Dopamin und Glutamat, die wichtigsten Neurotransmitter mit hemmender, dämpfender Wirkung sind Serotonin und GABA (Gemma Aminobuttersäure). Noradrenalin, Adrenalin, Serotonin und Dopamin gehören zu den so genannten Katecholaminen und sorgen für eine sehr schnelle Energiebereitstellung. Charakteristisch sind die hochkonzentrierten Ausschüttungen in Stresssituationen.

Noradrenalin

Noradrenalin gehört zu den wichtigsten Botenstoffen des zentralen Nervensystems (ZNS) und des Sympathikus, ein Teil des vegetativen Nervensystems (VNS). Noradrenalin übernimmt eine wichtige Rolle bei der Steuerung der Stresshormone und der zugehörigen Neurotransmitter. Der Botenstoff Noradrenalin sorgt dafür, dass der Körper auf psychische und physische Stresssituationen entsprechend reagieren und sich anpassen kann.

So bewirkt Noradrenalin eine Engstellung der Blutgefäße, was dann zu einer Steigerung des Blutdrucks und einer Senkung der Pulsfrequenz führt. Durch Noradrenalin wird die Aufmerksamkeit und Konzentration erhöht, die Motivation und Motorik positiv beeinflusst, der Appetit gesteuert und Immunzellenaktivität gehemmt. Noradrenalin erhöht zudem kurzfristig die Entzündungsneigung.[9]

Bestehen die Stressphasen jedoch dauerhaft, kann es zunächst zu einem Überschuss, im späteren Verlauf jedoch zu einem Mangel an Noradrenalin kommen, weil das gesteigerte Noradrenalin nicht über längere Zeit gehalten werden kann. Beide Formen können Auswirkungen auf den Organismus haben.[10] So geht ein Überschuss an anregendem Noradrenalin mit einer Hemmung des dämpfenden Serotonins einher und ein Mangel an Noradrenalin kann sich in Form von Konzentrations- und Gedächtnisstörungen oder Motivationsabfall zeigen, aber auch bei Depressionen oder beim Burnout-Syndrom wurde ein Zusammenhang festgestellt.

Adrenalin

Das Stresshormon Adrenalin mit anregender Wirkung gehört zur Gruppe der Katecholaminen und wird im Nebennierenmark und in bestimmten Nervenzellen gebildet. Die Adrenalin-Ausschüttung erfolgt im Zusammenspiel verschiedener Hormone und Neurotransmitter. Sowohl in psychischen Stresssituationen als auch bei Verletzungen, Entzündungen oder bei Unterzuckerung wird vermehrt Adrenalin ausgeschüttet. Adrenalin wird nicht wie Cortisol auf Vorrat, sondern direkt bei Bedarf gebildet und ausgeschüttet.

Das vielseitige Wirkspektrum von Adrenalin umfasst in Stresssituationen die Erhöhung von Puls und Blutdruck, die Erweiterung der Bronchien und der Pupillen, die Erhöhung der Atemfrequenz, die Senkung der Darmbewegungen und die Bereitstellung von Energie durch Freisetzung von Fett und Zucker aus den Körperdepots sowie die Auslösung von Unruhe. Weitere Stressreaktionen zeigen sich in einer sinkenden Schmerzschwelle und im Herunterfahren des Immunsystems, um mehr Energie einsparen zu können.

Die Hauptaufgabe von Adrenalin besteht demnach darin, in Stressphasen den Körper mit zusätzlicher Energie zu versorgen, das Herzkreislaufsystem und den Stoffwechsel an die jeweilige Belastung anzupassen.

Gerät das Zusammenspiel der Hormone und Neurotransmitter aufgrund von andauerndem, chronischem Stress aus dem Gleichgewicht, kann daraus ein dauerhaft erhöhter Adrenalin-Spiegel oder aber auch ein Adrenalin-Mangel entstehen und zu vielen gesundheitlichen Problemen führen.

Ein dauerhaft erhöhter Adrenalin-Spiegel kann zu einem erhöhten Blutdruck (Hypertonie) und steigendem Blutzuckerspiegel führen, was wiederum eine starke Herzbelastung zur Folge haben kann. Ein Mangel an Adrenalin hingegen zeigt sich häufig in einer verminderten Konzentrations- und Leistungsfähigkeit sowie in einer eingeschränkten Vitalität, wie z. B. bei dem chronischen Müdigkeitssyndrom (CMS).[11]

Dopamin

Dopamin gehört zu den bedeutendsten Neurotransmittern des ZNS und wird auch als „Kraftstoff des Gehirns“ bezeichnet.[12] Gemeinsam mit Noradrenalin und Serotonin spielen die Botenstoffe eine zentrale Rolle im Körper bezüglich der Bewegung und Koordination, Motivation, sowie geistiger Leistungsfähigkeit und Konzentration. In akuten Stresssituationen erfolgt die Reaktion im Zusammenspiel mit Serotonin und den aus Dopamin gebildeten Noradrenalin und Adrenalin.

Das Wirkspektrum von Dopamin beinhaltet die Übertragung von Nachrichten vom Nervensystems an die Muskulatur, die Steigerung der Wahrnehmungsfähigkeit, die Regulierung der Durchblutung der Bauchorgane und die Förderung von Glücksgefühlen.[13] Als eine Art Belohnungsstoff sorgt Dopamin nach einem Erfolgserlebnis auch für eine euphorisierende Wirkung.

Damit ausreichend Dopamin gebildet werden kann, muss der Organismus über eine ausreichende Versorgung mit den Vitaminen B6, B12 und Vitamin C verfügen. Mit fortschreitendem Alter kann die Bildung von Dopamin jedoch nachlassen, was einen Mangel verursachen und daraus resultierende gesundheitliche Auswirkungen haben kann. Sowohl ein Mangel als auch ein Überschuss an Dopamin kann zu gravierenden gesundheitlichen Problemen für den gesamten Organismus führen.

Ein schwerer Dopaminmangel zeigt sich unter anderem an typischen Symptomen der Parkinson´schen Krankheit, wie an einem mühsamen, unsicheren Gang des Erkrankten mit kleinen, gehemmten Schritten, ungeschickte Bewegungen, einem maskenhaften Gesichtsausdruck, Zittern an den Gliedmaßen, Kopfwackeln, vermehrte Speichel- und Schweißsekretion, einer gehemmten Verdauung und einer nachlassenden Gedächtnisleistung. Auch Depressionen, Müdigkeit am Tag und eine erhöhte Infektanfälligkeit können mit einem Dopaminmangel einhergehen. Ein Dopaminmangel betrifft aber nicht nur ältere Menschen, auch Jüngere können durch psychische Belastungen und Umwelteinflüsse davon betroffen sein.

Ein Überschuss an Dopamin geht in der Regel mit einen Serotoninmangel einher und kann zu einer zentralen Erschöpfung, den Fatique-Syndrom führen.

Glutamat

Die meisten Menschen kennen Glutamat in erster Linie als Geschmacksverstärker in der Essenszubereitung. Insbesondere chinesische Restaurants werden mit der Verwendung von Glutamat in den Speisen in Verbindung gebracht. Glutamat ist aber auch natürlicher Bestandteil in vielen Nahrungsmitteln wie Käse, Fisch oder auch Tomaten. Im menschlichen Organismus übernimmt Glutamat eine zentrale Rolle im Bereich der motorischen Funktionen wie Muskelarbeit und Koordination und ist elementar wichtig für die Verarbeitung von Sinneswahrnehmungen und unverzichtbar für wichtige Gehirnfunktionen wie Lernen und Gedächtnisleistung. Außerdem wirkt Glutamat appetitsteigernd und hemmt das Sättigungsgefühl. Es beeinflusst zudem die Sekretion des Hormons ACTH.[14]

Glutamat übernimmt also wichtige Aufgaben im menschlichen Organismus, ein Überschuss an Glutamat im Körper hingegen wirkt sich negativ auf Nervenzellen aus, weil Glutamat dann eine neurotoxische Wirkung entfaltet. Mit einem Überschuss an Glutamat werden auch neurodegenerative Erkrankungen wie Epilepsie, Lähmungen nach Schlaganfall, Parkinson und Alzheimer sowie die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) in Zusammenhang gebracht.[15]

Glutamat ist einer der wichtigsten exzitatorischen Neurotransmitter im ZNS mit anregender (exzitatorischer) Wirkung im menschlichen Organismus und ist damit auch der wichtigste unmittelbare Gegenspieler des Neurotransmitters GABA mit seiner hemmenden Wirkung.

Gamma-Aminobuttersäure (GABA)

GABA ist die Abkürzung für Gamma-Aminobuttersäure und gehört zu den wichtigsten inhibitorischen Neurotransmittern des Zentralnervensystems (ZNS). Unter dem Begriff „inhibitorisch“ aus den Bereichen der Biochemie und Neurophysiologie verstehen Ärzte und Mediziner ein „hemmendes“ Potential. GABA wirkt in diesem Zusammenhang also „beruhigend“ bzw. „hemmend“ auf die Nervenzellen, so dass Botschaften zwischen den Nervenzellen langsamer übertragen oder gar nicht erst weitergegeben werden. GABA und Glutamat werden aus derselben Aminosäurenvorstufe Glutamin gebildet. GABA wirkt hauptsächlich im Gehirn und sorgt für eine Steigerung der Bildung des Wachstumshormons STH. STH kontrolliert das Körperwachstum, indem es das Zellwachstum und die Zellvermehrung fördert. Als wichtigster Gegenspieler des Neurotransmitters Glutamat hemmt GABA sowohl die Freisetzung von anregend wirkendem Glutamat als auch die Stressachse, bestehend aus CRH, ACTH und Cortisol. Die Aktivierung der Stressachse und der anregenden Neurotransmitter bedingt eine Steigerung der GABA-Produktion und das wirkt sich auf dem Körper angstlösend (anxiolytisch), schmerzlindernd (analgetisch), entspannend, schlaffördernd, entkrampfend (antikonvulsiv) und blutdruckstabilisierend aus.[16]

Ist die GABA-Konzentration im Organismus zu niedrig, kommt es zu massiven Störungen im Zusammenspiel der Neurotransmitter. Die gesundheitlichen Folgen sind gravierend und können sich in Form von Bluthochdruck (Hypertonie), chronischen Schmerzen, Reizdarm, prämenstruellem Syndrom (PMS), leichten bis schweren Depressionen, Epilepsie oder Schizophrenie äußern.

Weitere Symptome eines GABA-Mangels sind unter anderem Heißhungerattacken auf Süßigkeiten und Zucker, Lähmungserscheinungen, Muskelverspannungen, Ängste, nächtliches Schwitzen und Gedächtnisschwächen.

Wichtig für die Wirksamkeit von GABA ist auch Serotonin, das die GABA-Synthese stimuliert und die GABA-Rezeptoraffinität erhöht[17]. Bei einem Serotoninmangel ist deshalb auch die Wirksamkeit von GABA eingeschränkt.

Serotonin

Serotonin, auch bekannt als „Glückshormon[18] aufgrund seiner antidepressiven Wirkung, ist ein körpereigener Eiweißstoff, der unter Mitwirken von Vitamin B6 in ZNS, in der Darmschleimhaut, Lunge und Milz gebildet wird.  Als Neurotransmitter mit einer hemmenden Wirkung übernimmt Serotonin wichtige Aufgaben im Gehirn, Darm, Herzkreislaufsystem und im Blut.

Serotonin umfasst ein breites Wirkungsspektrum und ist zuständig für das Sättigungsgefühl, für die Regulation des Appetits, der Darmbewegung und Darmfunktionen und wirkt außerdem schmerz- und entzündungshemmend, stark entspannend, stimmungsaufhellend, antidepressiv und angstlösend.

Im Zusammenspiel mit Noradrenalin und Dopamin wirkt Serotonin nicht nur positiv auf den Schlaf und Energiehaushalt, auf die Gedächtnisfunktion und Körpertemperatur, das Herzkreislaufsystem, die Sexualität und auf das Aggressionsverhalten, auch in positiven Bezug auf eine verbesserte, antidepressive Stimmungslage (Glückshormon) und gesteigerter Motivation und Leistungsfähigkeit spielt Serotonin eine zentrale Rolle.

Serotonin hat zudem einen Einfluss auf den Blutgerinnungsprozess und auf die Durchlässigkeit (Gefäßpermeabilität) und das Zusammenziehen bzw. Verengung (Gefäßkonstriktion) der Blutgefäße, was sich wiederum auf die Blutstillung, Migräne und den Blutdruck auswirkt.

Besteht im menschlichen Organismus ein Mangel an Serotonin, können viele gesundheitliche Beschwerden auftreten, die das gesamte Wirkspektrum des Serotonins betreffen. Ein Serotoninmangel geht häufig mit einem Mangel an Dopamin und Melatonin (Schlafhormon) einher. Ein Serotonin-Mangel kann sich in Form von Konzentrationsproblemen, Schlafproblemen, Essstörungen, Gewichtszunahme, unspezifische Bindegewebsschmerzen (Fibromyalgie), Empfindungsstörungen, chronische Erschöpfung (CFS, Fatique), Angstzustände, Migräne und Depressionen äußern.

Ursächlich für einen Mangel an Serotonin könne einerseits genetische Faktoren sein, aber auch langandauernde, chronische Stresssituationen oder eine gehemmte Bildung von Serotonin, z. B. durch Nervengifte (Toxine).

Zu Beginn der Stressphasen bildet der Körper im Rahmen der Stressreaktion vermehrt Serotonin, bei dauerhaften Stresszuständen kommt es zu einer deutlichen Verminderung des Serotoningehalt, obwohl der Bedarf nach wie vor erhöht ist.[19]

Die Rolle des Immunsystems bei der Stressbewältigung

Zu guter Letzt spielt auch unser Immunsystem eine zentrale Rolle bei der Stressbewältigung, denn zwischen Nerven-, Hormon- und Immunsystem bestehen Wechselbeziehungen. Es ist heute unbestritten, dass sowohl akuter als auch chronischer psychischer und körperlicher Stress, die Funktionen der Immunabwehr beeinflussen. Befindet sich der Körper in einem chronischen Dauerstressmodus, wird über längere Zeit das Immunsystem so geschwächt, was sich unter anderem durch eine steigende Infektanfälligkeit äußern kann. Ein geschwächtes Immunsystem wirkt sich zudem auch negativ auf den Magen-Darm-Trakt aus, weil es zu einer mangelhaften Durchblutung kommt und dadurch die Gefahr von Schleimhautentzündungen oder Magengeschwüren ansteigt. Auch akute Atemwegsinfektionen treten häufig bei psychischem Stress auf.

Chronischer Stress, der auf Dauer nicht mehr kompensieren werden kann, führt neben den Einbußen des Immunsystems auch zu Ermüdungszuständen. In der Sport- und Präventivmedizin wird dann von einem so genannten „Open-Window-Phänomen“ gesprochen, d. h., dass ein geschwächtes Immunsystem auf Krankheitserreger sehr anziehend wirkt. [20]

Neurostress – Gesundheitlichen Auswirkungen und Folgen im Überblick

Das endokrine (hormonelle) System, das zentrale und periphere, vegetative Nervensystem und das Immunsystem stehen in engem Kontakt, wenn Stressreaktionen im Organismus aktiviert werden. Unter langanhaltendem Dauerstress können die Hormone und Neurotransmitter aus dem Gleichgewicht geraten und zu gravierenden gesundheitlichen Störungen führen. Neurostress bezeichnet eine gestörte Gehirnchemie und wird mit vielen verschiedenen Gesundheitsstörungen in Zusammenhang gebracht.

Neurostress und die gesundheitlichen Auswirkungen und Folgen im Überblick

  • Ängste, Angstzustände, Panikattacken, Reizbarkeit, Nervosität, Zwanghaftigkeit, Rastlosigkeit, Unsicherheit
  • Depressionen, Burnout, Motivationsverlust, Stimmungsschwankungen, Schwermut, chronischer Stress
  • Chronisches Fatigue-Syndrom (CFS) mit totaler Erschöpfung und bleierner Müdigkeit
  • Schlafprobleme, Ein- und Durchschlafprobleme mit Tagesmüdigkeit
  • Wechseljahrbeschwerden mit Hitzewallungen, Stimmungsschwankungen, nächtliches Schwitzen
  • Prämenstruelles Syndrom (PMS) mit Stimmungsschwankungen, Aggressivität, Reizbarkeit, Libidoverlust, Schwermut, Melancholie, Schmerzen
  • Libido und Potenzprobleme, Erektile Dysfunktion
  • Gewichtsprobleme, Übergewicht (Adipositas), gesteigerter Appetit mit Heißhungerattacken
  • Kopfschmerzen und Migräne
  • Aufmerksamkeitsstörungen, ADS, Hyperaktivität (ADHS), Motivationsverlust, Konzentrationsschwierigkeiten, Aufmerksamkeitsdefizite
  • Entwicklungsstörungen besonders bei Kindern mit Lernschwierigkeiten
  • Fibromyalgie, Muskelfaserschmerzen
  • Beschwerden des Magen-Darm-Trakts, Reizdarm (Colon Irritable), Koliken, Spasmen, Durchfälle (Diarrhoen)
  • Ohrgeräusche (Tinnitus)
  • Vielfache Chemikalienunverträglichkeit (MCS) mit teilweise starken Unverträglichkeiten von diversen flüchtigen Chemikalien, wie z. B. Duftstoffen, Zigarettenrauch, Lösemitteln oder Abgasen

Neurostress – Diagnose

Sind unter langanhaltendem, chronischem Dauerstress die Hormone und Neurotransmitter aus dem Gleichgewicht geraten, kann der menschliche Organismus aufgrund einer gestörten Gehirnchemie (Neurostress) nicht mehr entsprechend auf Stresssituationen reagieren und gravierende Gesundheitsstörungen wie im vorherigen Abschnitt beschrieben, können entstehen.

PD Dr. med. Wilfried Bieger führt eine Privatpraxis für Stress-Medizin in München und hat eine in den USA entwickelte, bewährte Methode zur Messung von Neurostress anhand einer Neurotransmitteranalyse übernommen. Diese Methode wurde dann mit der Messung von Stresshormonen kombiniert. Dieses Verfahren wurde inzwischen von vielen Laboratorien in Deutschland übernommen.[21]

Stresshormone wie Cortisol, DHEA und Neurotransmitter wie Serotonin, Adrenalin, Noradrenalin, Dopamin, GABA und Glutamat aber auch die Sexualhormone (Testosteron, Östrogene und Progesteron) können anhand einer einfachen Diagnostik aus Speichel und Urin gemessen werden. Anhand der Labordiagnostik kann auf diese Art und Weise ein Mangel oder Überschuss von Hormonen und Neurotransmittern ermittelt werden.

Zudem werden noch weitere Zusatzuntersuchungen zur Diagnose empfohlen, wie z. B. die Labordiagnostik bezüglich der Hormone ACTH, der Schilddrüsenhormone (THS, T3 und T4) und des weiteren der Neurotransmitter Histamin sowie Vitamin B6, B12, Folsäure, Magnesium und Coenzym Q10 und viele mehr.[22]

Neurostress – Behandlung & Therapie

Wurde anhand der Labordiagnostik ein Zusammenhang von Gesundheitsstörungen und Neurostress bestätigt, spricht sich PD Dr. med. Wilfried Bieger, der sich auf das Thema Neurostress spezialisiert hat und eine Privatpraxis für Stress-Medizin in München führt, für eine individuelle, maßgeschneiderte Therapie aus. Abhängig davon, welche Hormone oder Neurotransmitter sich im Mangel- oder Überschusszustand befinden, besteht die Neurostress Behandlung ausschließlich aus entsprechenden, natürlichen Mikronährstoffen, wie beispielsweise Aminosäuren. In drei Therapiephasen werden die Mikronährstoffe dosiert und der Verlauf durch regelmäßige Labortest überprüft. Jedes Syndrom benötigt laut PD Dr. med. Wilfried Bieger eine unterschiedliche Mischung.

Sein Behandlungsprinzip basiert auf „der Regeneration erschöpfter Neurotransmitter-Pools mit den jeweiligen physiologischen Aminosäurevorstufen oder der Ausgleich erhöhten Bedarfs“.[23]  Durch die Regeneration des zentralen und autonomen Nervensystems wird auch die Funktion der Stresshormonachse normalisiert.

Einzelnachweise:

[1] PD Dr. med. Wilfried Bieger: Neurostress – Eine aktuelle Kurz-Übersicht. September 2010, S. 2

[2] Wagner-Link, Angelika: Aktive Entspannung und Stressbewältigung. Wirksame Methoden für Vielbeschäftigte. 2009, S. 14 ff.

[3] Eudemos: Neurostress – wenn Stress krank macht

[4] PD Dr. med. Wilfried Bieger: Neurostress – Eine aktuelle Kurz-Übersicht. September 2010, S. 3

[5] Neurolab – der Neurostress Spezialist: CRH

[6] PD Dr. med. Wilfried Bieger: Neurostress – Eine aktuelle Kurz-Übersicht. September 2010, S. 6

[7] Neurolab – der Neurostress Spezialist: Cortisol

[8] Neurolab – der Neurostress Spezialist: DHEA

[9] PD Dr. med. Wilfried Bieger: Neurostress: eine Einführung. April 2014, S.19

[10] Neurolab – der Neurostress Spezialist: Noradrenalin

[11] Neurolab – der Neurostress Spezialist: Adrenalin

[12] Eudemos: Neurostress – wenn Stress krank macht

[13] Neurolab – der Neurostress Spezialist: Dopamin

[14] Neurolab – der Neurostress Spezialist: Glutamat

[15] PD Dr. med. Wilfried Bieger: Neurostress: eine Einführung. April 2014, S.27

[16] PD Dr. med. Wilfried Bieger: Neurostress: eine Einführung. April 2014, S.29

[17] Jorgensen HS. Studies on the neuroendocrine role of serotonin. 2007;54 S. 266 ff

[18] Bernd Hornung: Glücksforschung und Glückswissenschaft Band II: Hirnforschung, Neurobiologie, DNS und unsere happy Gene

[19] Neurolab – der Neurostress Spezialist: Serotonin

[20] Siegfried Hoc: Psychoneuroimmunologie: Stress erhöht Infektanfälligkeit

[21] PD Dr. med. Wilfried Bieger: Neurostress: eine Einführung. April 2014, S.49

[22] PD Dr. med. Wilfried Bieger: Neurostress: eine Einführung. April 2014, S.43

[23] PD Dr. med. Wilfried Bieger: Neurostress: eine Einführung. April 2014, S.44

Quellen:

 

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