Stretching – richtig dehnen und was man dabei beachten sollte

Stretching – richtig dehnen und was man dabei beachten sollte

Dehnen bzw. Stretching ist aus jedem Sportunterricht und Training bestens bekannt – und dennoch ist es eines der umstrittensten Themen in der Sportmedizin. Viele Trainer, Sportlehrer, Freizeit- und Profi-Sportler sind von den positiven Auswirkungen des Stretchings überzeugt, während aktuelle Untersuchungen darauf hinweisen, dass Dehnübungen gar keine oder auch negative Effekte auf den Sport haben können. Tatsächlich ist die Effektivität des Stretchings von der jeweiligen Sportart als auch von der richtigen Ausführung abhängig. Für die Gesundheit der Muskeln und des Körpers ist Dehnen jedoch nicht unbedingt erforderlich.

Was ist unter Stretching zu verstehen?

Der Begriff Stretching leitet sich vom Englischen „to stretch“ ab, was so viel wie „dehnen, strecken“ bedeutet. Wird ein Muskel gedehnt, so bewirkt das eine Verlängerung des umliegenden Gewebes um den Muskel herum. Zu Beginn einer Dehnübung wird in der Regel eine hohe Dehnspannung verspürt, welche nach einigen Sekunden natürlicherweise nachlässt. Aus diesem Grund ist eine Dehnungshaltung von 30-45 Sekunden angeraten.

Das Stretching darf aber nicht mit der Aufwärm-Phase verwechselt werden, auch wenn die beiden Begriffe umgangssprachlich synonym Verwendung finden. Denn das Aufwärmen wird durchgeführt, um den Körper auf eine bestimmte Betriebstemperatur zu bringen, das Muskelgewebe besser zu durchbluten und es auf die bevorstehende Belastung vorzubereiten. Stretchen hingegen soll die Beweglichkeit und Gelenkigkeit fördern.

Zudem unterscheidet sich das Aufwärmen in seiner Methodik wesentlich vom Stretching, denn leichte Ausdauer-Belastungen wie beispielsweise Laufen, Joggen oder Radfahren finden zu Zwecken der Aufwärmung statt. Ein Aufwärmprogramm sollte vor jedem Training absolviert werden – das Stretching ist hingegen nicht notwendig, um das Verletzungsrisiko zu minimieren oder die Leistung zu steigern.

Im Grunde sind zwei Dehnungs-Methoden voneinander zu differenzieren: Zum einen das dynamische Dehnen und zum anderen das statische Dehnen, wobei sich letzteres als Stretching etabliert hat. Statischem Stretching wurde bislang der Vorzug gegeben, da man glaubte, dass ruckartige Bewegungen ungünstige Kontraktionen der Muskeln hervorrufen könnten. Mittlerweile wurden die mutmaßlichen Vorzüge des statischen Dehnens gegenüber dem dynamischen Dehnen jedoch als irrtümlich anerkannt.

Statisches Dehnen

Unter statischen Dehnübungen ist konventionelles Stretching zu verstehen. Ein bestimmter Muskel wird hierbei über eine kurze Zeitdauer von 15-30 Sekunden „in die Länge“ gezogen. Während der angegebenen Zeit ist die Position kurz zu halten. Statisches Dehnen direkt vor dem Sport hat den Zweck, die Gelenkreichweite zu erhöhen und die Beweglichkeit zu fördern.

Da Stretching vor allem der körperlichen Flexibilität zugute kommt, ist es für alle Sportarten geeignet, die ein hohes Maß an Beweglichkeit voraussetzen, so zum Beispiel Turnen, Tanzen und Gymnastik. Zielt die ausgeführte Sportart jedoch auf schnelle und kraftvolle Belastungen wie beim Sprinten oder Krafttraining, dann sollte das Stretching lieber unterbleiben. Hier sind gezielte Aufwärm-Bewegungen mit dynamischen Dehnübungen vor dem Training angeraten. Generell empfiehlt es sich daher, das Stretching lieber als isolierte Trainingseinheit zu betrachten statt es in den Trainingsplan eines Kraft-, Schnelligkeits- oder Ausdauer-Trainings zu integrieren: Konkret bedeutet das, an einem Tag Kraft trainieren, am nächsten Tag nur Dehnen.

Statischen Dehnübungen wird nach neuesten Untersuchungen kein Effekt zugesprochen. Dennoch plädieren viele Experten für das Stretching vor und nach dem Sport, weil die Dehnfähigkeit der Muskeln neben Faktoren wie Kraft, Schnelligkeit und Ausdauer mithin zu den konditionellen Fähigkeiten eines Sportlers gehört. Zudem darf nicht außer Acht gelassen werden, dass Stretchingübungen auch aus psychologischen Gründen (mentale Vorbereitung auf bevorstehende Belastungen) absolviert werden können.

Dynamisches Dehnen (auch intermittierendes Dehnen)

Das dynamische Dehnen zeichnet sich dadurch aus, dass der Muskel nicht dauerhaft gestreckt wird, sondern ständig in die „Länge gezogen“ und wieder gelockert wird. Die Streckung erfolgt jedoch nicht ruckartig, wie früher angenommen, sondern kontrolliert und wiederholt. Bei federnden und wippenden Bewegungen sprechen Experten von einer ballistischen Stretching-Methode.

War das dynamische Dehnen früher oft der Kritik ausgesetzt, so ist es heutzutage durchaus positiv einzuschätzen. Dynamisches Dehnen wird hauptsächlich im Kraftsport und bei Schnelligkeits-Leistungen angewandt. Es schult effektiv die Koordination einzelner Muskelgruppen zueinander sowie die neuromuskuläre Lenkung von Bewegungsabläufen. Außerdem fördert das dynamische Dehnen die Durchblutung.

Die falsche Durchführung von dynamischen Dehnübungen kann sich jedoch auch nachteilig auswirken, gerade dann, wenn zu schnelle Bewegungen ausgeführt werden.

Sind Stretching-Übungen sinnvoll?

Die Muskulatur wird vor und nach dem Training in eine Zugspannung versetzt, um Beweglichkeit und Gelenkigkeit zu steigern. Der Muskel selbst verändert sich durch Stretching nicht, wie vielfach angenommen, wohl aber die Flexibilität der umliegenden Gewebestrukturen wie Sehnen, Bänder und Zellgewebe.

Manche Experten vermuten, dass Stretching vor dem Sport das Verletzungsrisiko vermindere, die Regeneration von Muskeln beschleunige und die Psyche positiv beeinflusse. In der Physiotherapie dient Stretching zur Verringerung muskulärer Dysbalancen, Behebung von Problemen, die auf Muskelverkürzungen basieren, und tatsächlich zur beschleunigten Regeneration nach Verletzungen.

Die Vermutung, Stretching nach dem Sport beuge einem Muskelkater vor, wurde nach aktuellen Studienergebnissen widerlegt. Viel mehr begünstigen Dehnübungen nach dem Training sogar einen Muskelkater. Ein Muskelkater lässt sich eher durch gezieltes Auslaufen und Auslockern nach Kraft- und Ausdauer-Trainings verhindern. Wer jedoch auf die Stretch-Übung nach dem Sport besteht, der sollte zumindest darauf achten, dass zwischen dem Stretching und dem Training mindestens 45 Minuten vergangen sind.

Stretching vor und nach dem Sport – Ja oder Nein?

Innerhalb der Sportmedizin ist man sich noch nicht einig darüber, ob das Stretching zum Training selbst gehören sollte oder nicht. Menschen mit muskulären Problemen (Dysbalancen, Muskelverkürzungen) oder Verspannungen sollten auf alle Fälle regelmäßig Dehnübungen durchführen. Alle anderen dürfen besten Gewissens auf das Stretching verzichten, denn bisher konnte wissenschaftlich nicht belegt werden, dass Dehnen Muskelverkürzungen oder Sportverletzungen vorbeugen würde.

  • Fußball: Beim Fußball ist es nicht nötig, eine große Gelenkreichweite zu besitzen, daher kann das Stretching in diesem Bereich vollkommen vernachlässigt werden. Stretchen könnte sich in dieser Sportart sogar schädlich auswirken. Wenn, dann sollte das Dehnen der Beinmuskulatur mit dynamischen Übungen erfolgen, wobei ein lockeres Aufwärmprogramm mehr Sinn hätte. Auch nach dem Training sind lockere Abwärm-Programme ratsamer als Dehnübungen.
  • Tennis: Beim Tennis ist ebenfalls keine Dehnung erforderlich, da hier der Schwerpunkt auf der Gelenkbelastung von Knie- und Sprunggelenken liegt. Auf das Stretching von Oberkörper und Arme sollte grundsätzlich verzichtet werden. Es kann jedoch vorkommen, dass der Schlagarm und seiner Schulter durch die kontinuierliche Belastung an Gelenkigkeit einbüßen. Dem lässt sich durch Dehnübungen der Schulter entgegenwirken, solange diese nicht unmittelbar vor dem Training erfolgen.
  • Schwimmen: Um diverse Schwimmtechniken richtig auszuführen, ist eine besondere Gelenkigkeit von Schulter und Hüfte zwingend erforderlich. Um die notwendige Gelenkigkeit zu entwickeln oder beizubehalten, sollten Schwimmer statische Dehnübungen durchführen. Auch direkt vor dem Schwimmen ist eine Dehnung der Schultermuskulatur anzuraten.
  • Badminton: Federball oder auch Squash zeichnen sich durch schnelle Sprints und abrupte Dreh-Bewegungen aus. Die Belastung für Muskeln, Sehnen und Gelenke ist dadurch besonders hoch. Dynamische Dehnübungen für die Beinmuskulatur helfen dabei, sich auf entsprechende Belastungen vorzubereiten.
  • Turnen und Tanzen: In diesen und ähnlichen Sportarten (Bsp. Yoga) ist das Stretching bereits Teil des Trainings, da hier vor allem die Beweglichkeit eine enorme Rolle für das Leistungsniveau spielt. Um die Gelenkreichweite zu vergrößern, sollten Dehnungsübungen auch als isolierte Trainingseinheiten oder hauptsächlich vor dem Training angewandt werden.

Kann ich mich beim Stretching verletzen?

Im Grunde genommen nicht, denn das Verletzungsrisiko für einen unbeschädigten, gesunden Muskel ist äußerst gering. Menschen, die schnell mit den Beinen umknicken oder sich die Schulter ausrenken, sollten Stretch-Übungen jedoch immer vorsichtig ausführen. Doch auch gesunde Menschen sollten sich nicht übernehmen: Dehnen Sie nämlich über einen leichten bzw. mittleren Schmerz hinaus oder überbeanspruchen Sie bereits beschädigtes Gewebe, so können Gelenkschäden oder Faserrisse an Muskeln, Sehnen und Bändern auftreten. Die große Gefahr beim Dehnen ist, dass die Verletzung im Körper oft unbemerkt vonstatten geht, weil intensives Dehnen das Schmerzempfinden reduziert. Gerade wenn Sie einen Muskelkater haben, wird von intensiven Dehnübungen abgeraten, sonst provozieren Sie weitere Schäden am Gewebe.

 

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