Nur schlecht drauf oder schon depressiv – wie erkenne ich Depressionen?

Nur schlecht drauf oder schon depressiv – wie erkenne ich Depressionen?

Das Wort depressiv geht uns nur allzu schnell über die Lippen. Es kommen dann Sprüche wie: „Sie hat ihre Depris“ oder „Biste mal wieder depressiv drauf?“. Anhand des flapsigen Sprachgebrauchs lässt sich auch die Bedeutung erkennen: Das Wort Depression wird dann benutzt, um negative Stimmungen oder eine schwere Zeit zu beschreiben. Tatsächlich hat dies aber nichts mit der Krankheit Depression zu tun. Laut Statistiken sollen ca. 6 Millionen Deutsche einmal im Jahr daran leiden, 17 Prozent der Bevölkerung erkrankt einmal im Leben an einer behandlungsbedürftigen Depression. Doch wie grenzt man eine echte Depression von einer vorübergehenden Verstimmung ab?

Eine Depression kann nicht durch Willenskraft besiegt werden

Als Depression wird in Fachkreisen eine psychische Störung bezeichnet, die Zustände von geistiger Niedergeschlagenheit als Leitsymptom zeitigt. Der Name leitet sich vom lateinischen ab: deprimere zu deutsch „niederdrücken“. Korrekt lautet die Krankheitsbezeichnung eigentlich: depressive Episode oder rezidivierende (wiederkehrende) depressive Störung. Sie zählt zu den affektiven Störungen. Obwohl der Begriff in der Alltagssprache häufig in Gebrauch tritt, handelt es sich aber bei einer Depression im medizinischen Sinne um eine erstzunehmende psychiatrische Erkrankung, deren Beschwerden nicht nur durch reine Willenskraft besiegt werden können. Laut der WHO sind weltweit ca. 120 Millionen Menschen davon betroffen.

Tatsächlich gelten Depressionen als Hauptursache für Selbstmorde in Deutschland. Eine Depression überschattet alle Gefühle: Viele Betroffene fühlen sich antriebsschwach, grundlos traurig und vernachlässigen Hobbys oder andere Interessen. Hinzu kommen oft Schlafstörungen, Nervosität, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust oder Gewichtszunahme, Konzentrationsschwächen und ständiges Grübeln.

Wie entsteht eine Depression?

Das ist schwer zu sagen. Depressive Beschwerden können nämlich auch eine Folge von körperlichen Erkrankungen sein. So zieht ein Hirnschlag fast immer eine Depression nach sich. Sogar Herzinfarkt, chronische Rücken- und Gelenkschmerzen und Stoffwechselkrankheiten sind dafür bekannt. In der Regel müssen aber schon mehrere Faktoren zusammenkommen, um eine Depression auszulösen. Vor allem eine Veranlagung (Prädisposition) zur Depression ist bei 41 % der Fälle gegeben. Ob sie dann allerdings zum Ausbruch kommt, hängt von verschiedenen Umständen ab:

  • unangemessene Bewertungsmuster: Betroffene fühlen sich als Versager, übertreiben kleine Fehler und blicken pessimistisch in die eigene Zukunft
  • Neigung zum Grübeln und zu Gedankenschleifen
  • Minderwertigkeitskomplexe: Einstufung der eigenen Fähigkeiten als negativ
  • häufige Angstzustände
  • Erschöpfungszustände, wie Burnout
  • Gehirnstörung im Bereich der Botenstoffe: Es mangelt vor allem an Serotonin (Glücksgefühle) und Noradrenalin (Entspannungsinitiator)

Wie sind Depressionen von normaler Traurigkeit zu unterscheiden?

Tiefste Niedergeschlagenheit und Tristesse sind normale Gefühlszustände im Leben eines Menschen. Daher ist es schwer zu unterscheiden, ob es sich um eine normale psychologische Reaktion auf Hoch- und Tiefphasen, Belastungen und Verluste bezieht oder eine ernsthafte Erkrankung vorliegt. Das entscheidende Kriterium für eine Depression ist folgerichtig die Schwere und Dauer der Symptome: Ist eine Phase von Traurigkeit und Elanlosigkeit ausgeprägt, d. h. hält sie lange Zeit an und beeinflusst den ganzen Alltag des Betroffenen in unerträglichem Maße.

Im Klartext: Von einer depressiven Episode sprechen die Mediziner erst dann, wenn mindestens fünf Symptome fast jeden Tag länger als 14 Tage anhalten und dabei deutlich zu einer Beeinträchtigung der Lebensqualität führen.

Warum ist eine Depression so schwer zu erkennen?

Depressionen sind zwar in aller Munde, doch welche Symptome diese Krankheit kennzeichnen, wissen nur die wenigsten von uns. So bleibt die Krankheit auch viel zu oft unerkannt: Dies liegt zum Teil daran, dass sich eine Depression nicht immer wie eine Depression äußert – besser gesagt, nicht so äußert, wie wir uns das oft vorstellen.

1. Vielfalt der Symptome

Laut Experten lässt sich ein depressiver Mensch nicht unbedingt daran erkennen, dass er zusammengekauert in der Ecke sitzt und weint. Denn häufig seien die Patienten nicht einmal in der Lage zu weinen: Freudlosigkeit bis hin zur inneren Leere sind zwar typische Depressions-Symptome, aber peinliche Vergesslichkeit könnte ebenso der Fall sein. Gerade bei älteren Patienten ist das ein Problem, da Demenz-Symptome sich recht schwer von atypischen Depressions-Symptomen abgrenzen lassen.

2. Körperliche Begleiterscheinungen

Doch nicht nur die Vielfalt an Symptomen machen es Ärzten und Mitmenschen schwer, eine Depression festzustellen. Oft führen nämlich Betroffene den Arzt mit körperlichen Beschwerden auf die falsche Fährte. So z.B. die Angabe von Schlafstörungen oder Rückenschmerzen: Jeder von uns kann mal für einige Nächte nicht schlafen oder hat starke Rückenschmerzen, doch können diese Beschwerden ebenso auf Depressionen hinweisen. Bis zu 70 % der depressiven Patienten suchen den Arzt lediglich wegen der körperlichen Symptome auf.

3. Atypische Symptome

Vor allem bei Männern verläuft eine Depression recht atypisch. Sie können aggressiv, feindselig oder sehr leicht reizbar sein – und wer von uns ahnt hier schon eine Depression? Um es auf den Punkt zu bringen: Lange hatten Ärzte und Wissenschaftler lediglich den Blick auf die Symptomatik depressiver Frauen gerichtet und deren Krankheitsbild verallgemeinert.

Im Falle eines Verdachts auf Depressionen ist dringend anzuraten, einen Arzt für Psychiatrie bzw. einen Psychotherapeuten aufzusuchen. Depressionen lassen sich nämlich heutzutage sehr gut heilen, müssen aber möglichst frühzeitig erkannt werden. Außerdem sollten Therapien auch nach vermeintlicher Genesung über einen längeren Zeitraum durchgeführt werden, um einen Rückfall zu vermeiden. Lesen Sie im zweiten Teil, auf welche Zeichen Sie konkret achten müssen, um eine Depression zu erkennen, und welche Therapie-Methoden es gibt.

 

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