Medikamenten-Chip: Forscher entwickeln eine Apotheke unter der Haut

Medikamentenchip zum Implantieren

Medikamenten-Chip: Forscher entwickeln eine Apotheke unter der Haut

Die Zukunft der Medizin hat bereits begonnen: Eine Forschergruppe um Robert Langer vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge läutet eine neue Ära der Medikamentenversorgung ein. Die Forschergruppe arbeitet an einem winzigen implantierbaren Medikamenten-Chip, der die für den Patienten notwendigen Medikamente sicher und automatisiert in der gewünschten Menge im Körper freisetzt. Die Wirkstoffe befinden sich dabei in steuerbaren Kammern, die der behandelnde Arzt über eine kabellose Verbindung von außen steuert. In Zukunft könnten Ärzte auf diese Weise per Handy oder Computer Therapien umstellen, indem sie die Dosierungen einfach per digitaler Datenübermittlung anpassen. Schon in wenigen Jahren sollen diese Medikamentenchips serienreif sein – Die Unter-der-Haut-Apotheke könnte dann routinemäßig dafür sorgen, dass Medikamente stets in der optimalen Menge im Körper das Patienten wären. Die vergessenen Tabletten gehörten damit dank des Medikamenten Chips dann ebenso der Vergangenheit an, wie versehentliche Über- oder Unterdosierung bestimmter Präparate.

Der Medikamenten-Chip revolutioniert die Medikamenteneinnahme

Für viele Menschen sind die täglichen Medikamente lebensnotwendig. Die regelmäßige Einnahme zu bestimmten Zeiten und in der exakten Dosierung empfinden jedoch viele Patienten als lästigen Prozess. Speziell Menschen, die statt Pillen und Tabletten sich im täglichen Rhythmus bestimmte Medikamente injizieren müssen, wünschen sich nur allzu gerne hierfür eine Alternative. Nicht nur das die starren Abläufe immer an feste Uhrzeiten gekoppelt sind und damit die Lebensqualität einschränken, sondern speziell ältere Menschen mit verkalkten Arterien leiden unter dem täglichen Piecks mehr als man denkt.

Die Medizin der Zukunft setzt daher auf völlig neue Ansätze. Die Forschung weltweit arbeitet seit mehr als einem Jahrzehnt an Mikrotechnologien, die direkt unter die Haut des Patienten implantiert werden können, um direkt vor Ort die richtigen Wirkstoffe auf Ihren Depots ins Blut des Patienten abzugeben. Solche implantierbaren Medikamenten-Chips klingen zwar auf den ersten Blick wie Science Fiction, sind aber schon praxistauglicher als man als Laie glauben mag.

Forscher vom MIT präsentieren eine Studie zum Medikamenten-Chip

Gestern präsentierte eine Forschergruppe rund um den Wissenschaftler Robert Langer vom MIT vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge auf der Wissenschaftstagung AAAS in Vancouver Studienergebnisse, die die erfolgreiche Anwendung einer solchen Apotheke unter der Haut bei acht Frauen dokumentieren. Mit nur acht Teilnehmerinnen mag die Studie für viele auf den ersten Blick noch klein und unbedeutend erscheinen. Was die Forscher mit der Untersuchung jedoch zeigen konnten, ist nicht weniger als ein Ausblick auf die Zukunft der Medizin.

Der Medikamentenchip im Einsatz gegen Osteoporose

Die acht Studienteilnehmerinnen, die an Osteoporose leiden, bekamen einen kleinen Mikrochip unter die Haut verpflanzt, in dessen integrierten Depots der Wirkstoff Teriparatid gespeichert war. Teriparatid ist ein Parathormon-Fragment, quasi ein Bruchstück der Parathormons, und wird in Therapie von Frauen in der Postmenopause mit Osteoporose eingesetzt. Teriparatid aktiviert die Knochen aufbauenden Zellen und schützt Betroffene vor einem weiteren Verlust der Knochenmasse und einer damit einhergehenden Wahrscheinlichkeit, sich die Knochen zu brechen. Anders als viele andere Medikamente, ist das Parathormonfragment sehr empfindlich und weniger stabil als andere Wirkstoffe. Um diese empfindliche Substanz bestmöglich zu schützen und optimal an den Körper abzugeben, hat das Forscherteam 20 Dosen des Wirkstoffs in winzige Kammern auf zwei Silizium-Chips eingebracht, die direkt im Körper der Patientinnen als computerisierte Mini-Apotheke für eine automatische Wirkstofffreisetzung sorgen sollten. Die Steuerbefehle erhalten die Medikamenten-Chips per Funk. Auch das Einbringen der Implantate war unkompliziert und problemlos. In Hüfthöhe bekamen die acht Frauen die Medikamenten-Chips unter lokaler Betäubung unter die Haut gesetzt. Laut Robert Farra von der Firma Microchips, Inc, dem Hersteller des Medikamenten-Chips, hätten sich einige der Teilnehmerinnen schon nach kurzer Zeit so daran gewöhnt, dass sie die USB-Stick große Apotheke unter Haut kaum noch wahrgenommen hätten.

Wie der Medikamentenchip funktioniert

Die unten stehende Grafik erklärt die Funktionsweise des Medikamentenchips. Die Wirkstoffe befinden sich in separaten Kammern, die jeweils einzeln mit einer Membran aus Platin und Titan versiegelt worden. Sobald der Medikamentenchip eine elektrische Spannung an die erste Kammer anlegt, „schmilzt“ diese Versiegelung auf und der Wirkstoff wird freigesetzt. Sobald die erste Kammer im Medikamentenchip komplett geleert ist, kann die nächste Kammer aktiviert werden. In der Version, die gerade im Rahmen der Studie getestet wurde, war der Medikamentenchip mit 20 Wirkstoffkammern ausgestattet. Zukünftige Versionen dieser subkutanen Micro-Apotheke sollen wesentlich mehr integrierte Depots enthalten können. Die Entwicklung der Technologie ist in vollem Gange.

 

Medikamentenchip
Die Funktionsweise des Medikamentenchips (Foto: Microchips, Inc.)

 

Die Apotheke unter der Haut in der Praxis

Der erste Praxistest, dessen Ergebnisse auf der AAAS jetzt präsentiert wurden, verlief, schenkt man den Aussagen des Forscherteams glauben, überaus erfolgreich. Obwohl bei einer Studienteilnehmerin der Medikamenten-Chip sofort versagte, konnten die restlichen Frauen über das High-Tech-Implantat problemlos und sicher mit dem benötigten Teriparatid versorgt werden. Die täglichen Spritzen konnten somit komplett entfallen. Auch das Timing wurde präzise ausgesteuert. Ein automatischer Zeitplan im der Mikrochip-Apotheke sorgte für die richtige Abgabe des Medikaments zu exakten Uhrzeiten. Über vier Monate trugen die Frauen den Medikamenten Chip in sich. An zwanzig Tagen wurden sie durch die moderne Technik mit dem wichtigen Medikament versorgt, ohne dass sich sich hätten darüber Gedanken machen müssen. Auch Nebenwirkung seien beim Einsatz der implantierten Mini-Apotheke nicht beobachtet worden, so Farra.

In der Medizin der Zukunft könnten solche Implantate Standard werden

Die Idee, Medikamente per Implantat diret von innen in den Körper des Patienten abzugeben, hat durchaus ihren Sinn. Die Forschung hat ihre absolute Berechtigung. Bis die Erfindung jedoch Einzug in die Krankenhäuser und Arztpraxen halten wird, ist es dennoch noch ein weiter Weg. Beispielsweise ist die Kapazität des Systems noch eine große Schwachstelle, bei der Verbesserungsbedarf besteht. Auch die Technologie an sich muss weiter verbessert und verfeinert werden. Und während der Medikamenten-Chip gerade erst seinen ersten Praxistest durchlaufen hat, machen sich die Forscher schon über die nächsten technologischen Ausbaustufen Gedanken. So könnte die Miniatur-Apotheke beispielsweise per W-Lan von außen gesteuert werden. Der behandelnde Arzt könnte auf diese Weise direkt die Medikamentendosierung online anpassen. Und wenn der Chip zusätzlich mit Sensoren ausgestattet wäre, könnte die Mikrotechnologie direkt ein Feedback zurück an den Arzt senden, um zu gewährleisten, dass sich der Therapieerfolg wie geplant einstellt. Die Medizin der Zukunft hat also bereits begonnen.

Bilder: © Microchips, Inc.