Knacken im Kiefer? CMD Behandlung, Physiotherapie und Übungen

Knacken im Kiefer? CMD Behandlung, Physiotherapie und Übungen

Untersuchungen zufolge zeigen mindestens 5 bis 10 Prozent der deutschen Bevölkerung Symptome einer craniomandibulären Dysfunktion, die meistens im Alter von 20 bis 40 Jahren auftritt. Interessanterweise sind 80 Prozent der Patienten weiblich. Zwar ist die CMD weder bösartig noch gefährlich, die Beschwerden sind jedoch häufig mit starken lokalen Schmerzen im Kauorgan verbunden und können die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen, wenn keine Behandlung erfolgt. Durch die Wechselwirkungen mit anderen Körperregionen können darüber hinaus weitere Beschwerden verursacht werden, beispielsweise Nackenschmerzen, Schwankschwindel, Rückenschmerzen oder Tinnitus.

Leiden Sie unter Kiefergelenksproblemen? Hier ein kleiner CMD-Test!

Stellen Sie sich aufrecht und entspannt vor einen Spiegel und testen Sie Ihren Mund- und Kieferbereich mit folgenden Prüfungen:

1. Mundöffnung

Öffnen Sie langsam und ruhig den Mund bis zur maximal möglichen Kieferöffnung. Beobachten Sie dabei konzentriert, ob Ihre Mundöffnung gerade erfolgt oder, ob dabei Abweichungen nach rechts und/oder links von einer geraden Öffnungsbewegung auftreten.

  • Wie weit können Sie Ihren Mund öffnen? In der Regel beträgt die Weite der Kieferöffnung bei Erwachsenen etwa 38 – 40 mm, gemessen zwischen den Schneidekanten der Ober- und Unterkieferzähne.
  • Sind Knackgeräusche im Bereich der Kiefergelenke zu hören oder zu fühlen, wenn Sie Ihren Mund öffnen?

2. Zahnkontakt

Beißen Sie die Zähne zusammen und beobachten Sie, ob Ihre oberen und unteren Zähne alle gleichzeitig aufeinandertreffen. Kommen einzelne Zähne in Kontakt, bevor ein vollständiger Zahnkontakt zwischen allen anderen Zähnen erfolgt?

3. Schleifspuren

Beißen Sie mit Ihren Zähnen aufeinander und öffnen Sie dabei die Lippen, sodass Sie Ihre Zähne gut sehen können. Bewegen Sie nun die Unterkiefer abwechselnd zu beiden Seiten. Welche Zähne haben dabei Kontakt? Betrachten Sie diese Zähne genauer: Weisen diese – unter Berücksichtigung Ihres Alters – übermäßige Schleifspuren auf?

4. Druckempfindlichkeit

Ihre Kaumuskeln sollten stark und leistungsfähig sein, nicht aber überlastet oder gar verhärtet. Überprüfen Sie daher Ihre Kiefermuskulatur auf Druckempfindlichkeit:

  • Wangenmuskel: Schließen Sie den Mund entspannt, ohne fest zuzubeißen. Tasten Sie nun im Bereich der Wange oberhalb des Unterkieferknochens beidseitig nach verhärteten oder gar empfindlichen Partien.
  • Schläfenmuskel: Schließen Sie wieder den Mund entspannt, ohne fest zuzubeißen. Tasten Sie nun beidseitig hinter den Augenbrauen und vor dem Haaransatz nach dem Schläfenmuskel und achten Sie auf harte, ertastbare Strukturen bzw. auf empfindliche oder gar schmerzhafte Bereiche.
  • Kieferwinkel: Schließen Sie leicht den Mund und legen Sie jeweils einen Zeigefinger im Bereich unter und hinter dem Kieferwinkel an Ihren Hals. Drücken Sie nun gleichzeitig leicht nach innen. Spüren Sie ungewöhnliche Empfindlichkeiten?

Sollte eines oder sogar mehrere dieser Symptome auf Sie zutreffen, könnten Ihre Beschwerden durch eine CMD-Erkrankung verursacht werden. Eine entsprechende Diagnose muss aber in jedem Fall Ihr Zahnarzt stellen. Durch die Vielfalt der möglichen Symptome ist CMD nicht leicht festzustellen. Diese liegen nämlich oftmals nicht direkt im Bereich des Kopfes, sodass hier häufig kein Zusammenhang gesehen wird, zum Beispiel, wenn ein Patient über Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule klagt. Ohne Überprüfung größerer Zusammenhänge wird dann ein anderes Krankheitsbild diagnostiziert und therapiert. Die wahre Ursache bleibt jedoch unbehandelt und so geht der Leidensweg des Patienten weiter.

Zahnbehandlungen, schlechte Körperhaltung und Stress können CMD verursachen

So wie die Symptome sind auch die Ursachen für das Auftreten einer Craniomandibulären Dysfunktion vielfältig. Sehr häufig tritt CMD nach Zahnbehandlungen auf, durch die ein falscher Zusammenbiss verursacht wird. Solche Bissanomalien, die mit einer Verlagerung des Unterkiefers einhergehen, sind in der Regel gut erkennbar und können daher auch schnell therapiert werden. Schwieriger zu finden ist beispielsweise der Zusammenhang zwischen dem Kauorgan und Skoliose, die sich über die Halswirbelsäule auf das Kiefergelenk übertragen kann. Man nennt dies eine „aufsteigende Kette“. Bei der „absteigenden Kette“ wirkt zum Beispiel eine Bissanomalie über die Nacken- und Schultermuskulatur auf die Wirbelsäule und verursacht dort Schmerzen. Auch hier führt nur eine Betrachtung der größeren Zusammenhänge zur richtigen Diagnose.

Eine weitere mögliche Ursache für CMD ist in der persönlichen Körperhaltung zu suchen. Besteht hier keine muskuläre und skelettale Balance, können die Strukturen, die an der Aufrechterhaltung der Körperhaltung beteiligt sind, geschädigt werden. Eine sogenannte „schlechte Haltung“ mit Rundrücken und Verlagerung der Kopfposition nach vorn birgt gleich zwei Entstehungsmöglichkeiten für eine schmerzhafte Funktionsstörung der Nacken- und Kiefergelenksregion: Die Vorverlagerung des Kopfes kann eine Überbeanspruchung der Nackenmuskulatur sowie Probleme mit der Halswirbelsäule nach sich ziehen. Die Verbindung der Nacken- und der Gesichtsregion über Nervengewebe und den Gesichtsnerv (Nervus Trigeminus) führt zu einer Weiterleitung von Störungen der Halswirbelsäule auf das Kiefergelenk und die Kaumuskulatur.

Was viele Menschen nicht wissen: Das Kauorgan ist unser wichtigster „Blitzableiter“ für Stress. Als wichtigster Kieferschließmuskel ist der Musculus Masseter über verschiedene Verschaltungen im Nervensystem direkt mit dem sogenannten Limbischen System unseres Gehirns verbunden, wo Emotionen entstehen und auch verarbeitet werden. Eine Stressfehlverarbeitung führt daher oft zu muskulären Verspannungen, zuallererst in besagtem Musculus Masseter. Da in unserer modernen Industriegesellschaft Stress-Situationen stetig zunehmen, wird immer häufiger Stress über das Kauorgan abgeleitet. Dadurch wird die Belastbarkeit des Kauorgans immer häufiger überschritten und es entstehen die oben genannten Beschwerden viel schneller und häufiger als noch vor zehn oder zwanzig Jahren.

Welche CMD-Untersuchungen führt der Arzt durch?

Da CMD in einer Kettenreaktion Erkrankungen im gesamten Körper auslösen kann, sollten diese – sofern sie schon aufgetreten sind – durch Therapeuten aus den jeweiligen Fachbereichen ganzheitlich und aufeinander abgestimmt behandelt werden. Für eine gezielte und langfristig erfolgreiche CMD-Behandlung empfiehlt es sich, die Erfahrung eines Spezialisten für Kiefergelenkdiagnostik in Anspruch zu nehmen. Da jeder Eingriff in die Form oder Funktion eines Zahnes einen Eingriff in das gesamte Kausystem bedeutet, ist es bei der Behandlung von CMD besonders wichtig, die Harmonie des Kausystems nicht zu stören.

Die Grundlage für eine effektive und medizinisch korrekte CMD-Behandlung bilden die klinische und die instrumentelle Funktionsanalyse. Bei der klinischen Funktionsanalyse werden die Kau- und Kopfmuskulatur manuell untersucht. Dabei werden die Muskelbereiche des Kiefers auf Verhärtungen abgetastet und zudem die Körper- und Kopfhaltung des Patienten untersucht. Hat die klinische Funktionsanalyse Störungen im Kausystem aufgezeigt, kann eine instrumentelle Funktionsanalyse weitere Einblicke und Gewissheit bringen. Sie dient dazu, die Ursache der Beschwerden zu diagnostizieren und anhand der gewonnenen Daten eine exakt passende Aufbissschiene fertigen zu können. Da sie sehr aufwändig ist, werden die Kosten für diese Funktionsdiagnostik nicht von den gesetzlichen Krankenkassen getragen.

Die CMD-Behandlung durch den Arzt

Aufbissprobleme

Schritt eins bei einer CMD-Behandlung ist in der Regel die „Schienentherapie“. Dafür wird ein Abdruck des Kiefers genommen und eine spezielle Aufbissschiene aus Kunststoff für den Patienten angefertigt. In erster Linie soll diese die Symptome wie Kopf-, Nacken- oder Rückenschmerzen, Bruxismus oder Zähneknirschen lindern und weitere Schäden an den Zähnen verhindern. Im Idealfall sollte eine Aufbissschiene nicht nur nachts, sondern auch tagsüber getragen werden. Viele Patienten entschließen sich daher zu einer dauerhaften Korrektur ihrer Bisslage, um nicht mehr auf die Aufbissschiene angewiesen zu sein.

Schritt zwei bei einer CMD-Behandlung ist also die dauerhafte Korrektur der Bisslage. Leichte Bissabweichungen lassen sich in der Regel durch kleinere Korrekturen der Zahnsubstanz oder des Zahnersatzes sowie durch prothetische oder kieferorthopädische Maßnahmen beheben. Muss ein Zahn oder die Zahnreihe neu gestaltet werden, um eine richtige Bisslage zu schaffen, werden umfangreichere Eingriffe nötig, wie beispielsweise das Einbringen von Keramikonlays, Kronen oder Zahnimplantaten.

Der Erfolg einer CMD-Behandlung kann durch interdisziplinäre Spezialisten maßgeblich unterstützt werden. Die Kenntnisse und Erfahrungen von Physiotherapeuten, Orthopäden, Heilpraktikern oder Osteopathen können den Heilungsprozess in ihren jeweiligen Bereichen beschleunigen. In manchen Fällen ist für eine optimale Behandlung zusätzlich eine Psycho- bzw. Stressbewältigungs-Therapie angeraten.

CMD-Physiotherapie

Die wichtigste begleitende CMD-Behandlung ist die Kiefergelenksbehandlung durch einen speziell geschulten Physiotherapeuten. Er untersucht zunächst den gesamten Bewegungsapparat auf Einschränkungen und stimmt darauf die Behandlung individuell ab. Am Anfang der Physiotherapie steht eine physikalische Therapie mit Wärme- bzw. Kälteanwendungen, die u. a. die Durchblutung der Muskulatur steigern. Danach folgen manualmedizinische Behandlungstechniken wie Massagen, Dehntechniken gegen Muskelverkürzungen und Gelenktechniken zur Mobilisation der Kiefergelenke. Ein dritter, sehr wichtiger Therapiebestandteil sind die aktiven Übungsbehandlungen, die Patient und Therapeut gemeinsam in der Praxis absolvieren.

Um eine dauerhafte Verhaltensänderung zu erreichen, ohne die eine Heilung nicht möglich ist, wird für den Patienten ein systematisches Übungsprogramm für zu Hause erstellt. Damit soll das erreichte Behandlungsergebnis bis zur nächsten Therapieeinheit erhalten, im Optimalfall sogar verbessert werden. Der wichtigste Bestandteil dieses häuslichen Übungsprogramms ist die Einübung einer symmetrischen, schmerzfreien Mundöffnungsbewegung durch Stabilisierung der Muskulatur und Einübung korrigierter Bewegungsmuster. Das Übungsprogramm wird neuerdings auch häufig mit der Kinesio-Tape-Methode unterstützt, die speziell für die Bedürfnisse von CMD-Patienten weiterentwickelt wurde.

CMD-Übungen für zuhause

Die Übungen mit Ihrem Physiotherapeuten sollten schon nach kurzer Zeit eine Linderung Ihrer Beschwerden bewirken. Doch auch Sie selbst können entscheidend zu Ihrem Heilungserfolg beitragen: Reduzieren Sie Stress so weit wie irgend möglich. Entspannungs- und Bewegungstherapien, wie Progressive Muskelentspannung nach Jacobson, Autogenes Training, Yoga oder Feldenkrais, können hier hilfreich sein. Vielleicht gehen Sie ja auch gerne spazieren oder fahren mit dem Rad in die Natur. Alles, was Sie freut und entspannt, ist heilungsfördernd.

Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl an verschiedenen Entspannungsübungen und Massagen sowie Übungen für die Koordination und zur Kräftigung, die Sie ohne besondere Hilfsmittel selbst zu Hause durchführen können. Diese Übungen verlangen Ihnen vielleicht manche merkwürdige Grimasse ab – bei richtigem und regelmäßigem Training helfen sie aber. Ein paar Beispiele haben wir hier für Sie zusammengestellt:

CMD Massagen zur Muskelentspannung (im Sitzen)

  • Legen Sie den rechten Daumen in Ihre linke Wange, die Finger und der Daumen massieren den Kaumuskel. Schieben Sie nun den rechten kleinen Finger außen an der oberen rechten Zahnreihe bis zum Ende und massieren Sie durch Auf- und Ab-Bewegung des Ellenbogens den Kaumuskel.
  • Legen Sie beide Handteller an die Schläfen, während Sie mit kreisenden Bewegungen den oberen Kaumuskel massieren. Ihr rechter Daumen greift auf die rechte Innenseite des Unterkieferbogens und massiert kreisend nach vorn, dabei ist Ihr Kopf leicht nach rechts geneigt.
  • Um die Muskulatur rund um das Zungenbein und des Kehlkopfes zu massieren, umfassen Sie mit der rechten Hand das Zungenbein und den Kehlkopf und schieben beides nach rechts und links hin und her.
  • Ihre Finger liegen beidseitig unterhalb des Schädelansatzes auf der Nackenmuskulatur und drücken nun dagegen, während sie sanft nach unten ziehen. Währenddessen macht der Kopf eine Nickbewegung nach unten.

Koordinationsübungen gegen CMD

Diese Übungen sollten Sie zur besseren Kontrolle vor einem Spiegel ausführen, bis Sie sie sicher beherrschen. Machen Sie diese Übungen 6 Mal täglich mit je 6 Wiederholungen.

  • Beide Zeigefinger fühlen die Kiefergelenke im oder vor dem Ohr, die Daumen liegen am Kinn. Versuchen Sie, Ihren Mund ohne Abweichungen nach rechts oder links zu öffnen. Ihre Zeigefinger kontrollieren dabei die gleichmäßige Bewegung Ihres Kiefergelenks.
  • Beide Zeigefinger fühlen die Kiefergelenke im oder vor dem Ohr, die Daumen liegen am Kinn. Nun bewegen Sie Ihren Kiefer folgendermaßen: vor – auf – zurück – zu. Diese Übung muss ohne Ausweichen und Knacken des Kiefergelenkes ausgeführt werden.
  • Klemmen Sie einen Stift oder ein Watteröllchen zwischen die Zähne − ohne zuzubeißen − und rollen Sie den Stift erst vor und zurück und dann nach rechts und links.

Lockerungs- und Stabilisationsübungen bei CMD

CMD Übung gegen ständiges Zähnezusammenbeißen

Lassen Sie Ihren Unterkiefer locker hängen, die Zähne haben kein Kontakt. Umgreifen Sie nun mit Daumen und Zeigefinger Ihr Kinn und bewegen Sie mit der Hand Ihren Unterkiefer locker nach rechts und links.

CMD Übung zur Kräftigung

Öffnen Sie Ihren Mund bis kurz vor der Abweichung (oder dem Knacken). Mit Zeigefinger und Daumen umschließen Sie Ihr Kinn von rechts und links. Versuchen Sie nun, Ihr Kinn mit den Fingern aus der Mittelposition zu schieben (nach rechts, links, oben und unten). Doch das Kinn behält die Ausgangsposition bei.

Was passiert, wenn eine CMD nicht behandelt wird?

Wie schon eingangs erwähnt, ist eine Craniomandibuläre Dysfunktion nicht einfach zu diagnostizieren, weshalb nicht selten nur deren Symptome behandelt werden, nicht aber die eigentliche Ursache. Es ist durchaus schon vorgekommen, dass irrtümlich ein gesunder Zahn gezogen wurde, obwohl der Schmerz des Patienten eigentlich aus dem Kiefergelenk kam. Besonders problematisch wird ein Nicht-Erkennen von CMD, wenn krankhaft veränderte Muskelzüge in einer Kettenreaktion Verspannungen in anderen Körperregionen auslösen. Dies kann sogar zu einer dauerhaften Achsverschiebung führen, die zum Beispiel therapieresistente Rückenschmerzen zur Folge haben kann. Auch werden Schmerzen, die über längere Zeit anhalten – also länger als drei Monate – sehr oft chronisch. Dabei verändern sich bestimmte Nerven, sodass der Schmerz schon bei sehr schwachem Reiz ausgelöst wird oder sogar weiter besteht, obwohl die ursprüngliche Quelle dafür beseitigt wurde.

Wenn Sie bei unserem Test Symptome an sich festgestellt haben, die auf eine CMD-Erkrankung hindeuten, sollten Sie diese auf jeden Fall durch Ihren Zahnarzt abklären lassen. In manchen (selteneren) Fällen können diese allerdings auch stressbedingt auftreten – zum Beispiel vor einer wichtigen Prüfung – und verschwinden nach Beendigung dieser Situation wieder.

 

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