Acetylsalicylsäure – der Schmerzklassiker seit Generationen

Acetylsalicylsäure – der Schmerzklassiker seit Generationen

Die Geschichte der Acetylsalicylsäure

Am 10. August 1897 notiert Felix Hoffmann, Nachwuchschemiker bei Farbenfabriken Friedr. Bayer & Co., säuberlich ins Laborbuch: „Acetylierung von Salicylsäure gelungen.“ Salicylsäure nahm Hofmanns rheumakranker Vater, aber die Substanz schmeckte furchtbar bitter und schlug ihm auf den Magen. Auf der Suche nach verträglichem Ersatz entstand ein simples Molekül, das als erste großindustriell produzierte Arznei Geschichte schreiben sollte.

Acetylsalicylsäure – wirksam gegen Schmerzen, Entzündung, Fieber

Prüfärzte loben die „ausgezeichnete schmerzstillende und fiebersenkende Wirkung der Acetylsalicylsäure“, welche „nie eine ungünstige Wirkung auf Herz oder Magen ausübe“ Erst viel später wird man entdecken, dass der Wirkstoff Blutungen im Magen-Darm-Trakt hervorrufen kann. 1899 meldet die Firma Bayer Aspirin beim Kaiserlichen Patentamt in Berlin an: A steht für Acetyl, „spir“ für die mit Salizylsäure identische Spirsäure aus Spirea ulmaria. Aspirin-Pulver erobert in kurzer Zeit die Gunst von Ärzten und Rheumakranken, Kopf- und Zahnwehgeplagten. Um die Jahrhundertwende kommt die Aspirin-Tablette – die erste überhaupt. In Amerika setzt Aspirin seinen Siegeszug fort.

Nobelpreis für den Wirkmechanismus

Sieben Jahrzehnte vergehen, bis man entdeckt, was Acetylsalicylsäure (ASS) eigentlich macht: Sie schaltet ein Enzym namens Cyclooxygenase aus und bremst so die Bildung typischer körpereigener Schmerzstoffe, der Prostaglandine. Der Brite John R. Vane erhält für die Entdeckung 1982 den Nobelpreis. Prostaglandine sensibilisieren im ganzen Körper die Schmerzrezeptoren und regulieren im Gehirn den Thermostaten für die Körpertemperatur nach oben, sprich: sie erzeugen Fieber. Diese Mechanismen wehren zwar Verletzungen und Infekte ab, können aber auch überschießen. Werden sie durch ASS gehemmt, gehen Schmerz, Entzündung und Fieber zurück.
Bei Rheuma, wie zu Kaiser Wilhelms Zeiten, wird ASS heute nicht mehr eingesetzt. In der Bekämpfung von leichten bis mittelstarken Schmerzen und Migräne ist ASS eins der meistgenutzten Mittel und in vielerlei Darreichungsformen erhältlich. Die Einzeldosis beträgt 500 -1000 mg, bis zu dreimal täglich. Nicht geeignet ist ASS für Kinder unter 12 Jahren und im letzten Drittel der Schwangerschaft.

Die zweite Karriere: Herzkrankheiten

ASS hemmt auch das Verklumpen der Blutplättchen. Smith und Willis finden heraus, dass der Acetylrest im ASS-Molekül an Thrombozyten andockt und sie außer Gefecht setzt – irreversibel. Die Neubildung von Thrombozyten dauert acht Tage, die Blutgerinnung funktioniert in dieser Zeitspanne nur eingeschränkt, das Blutungsrisiko also erhöht. In der empfindlichen Schleimhaut von Magen und Darm komm es unter der Einnahme von ASS dosisabhängig zu Mikroblutungen, die sich zu Geschwüren auswachsen können.

Was für Gesunde nachteilig ist, kann für Gefäßkranke ein Segen sein. Die „Thrombozyten-Aggregationshemmung“ von ASS lässt das Blut leichter fließen. Und das schon in niedrigen Dosierungen von 100mg, die kaum Nebenwirkungen hervorrufen. Bei Menschen mit Arteriosklerose sinkt massiv das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle, zeigen Studien zeigen in den 1980er Jahren. Sie legen 1985 den Grundstein für die zweite Karriere der guten alten ASS: der Prophylaxe von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und von Schlaganfall.

Acetylsalicylsäure

  • Wirkt sicher gegen Schmerzen, Entzündungen und Fieber
  • Wirkt gut in entzündetem Gewebe
  • Hemmt die Blutgerinnung für mehrere Tage
  • Wird bei Gefäßkrankheiten (z. B. Herzinfarktvorbeugung) eingesetzt
  • Macht als häufigste Nebenwirkung Magen-Darm-Probleme
  • Ist zu oder nach den Mahlzeiten mit einem großen Glas Wasser einzunehmen!

Was kommt noch?

Und die Geschichte ist noch nicht zu Ende: Jedes Jahr erscheinen tausende wissenschaftliche Arbeiten zu ASS. Die milliardenfache Anwendung ist wie eine gigantische Feldstudie. Mit immer neuen Ergebnissen: Man beobachtete beispielsweise, dass Personen, die häufig ASS einnehmen, weniger Dickdarmkrebs bekommen. Untersucht wurde ASS u.a. zur Vorbeugung des Schwangeren-Bluthochdrucks, bei diabetischer Mikroangiopathie, bei der Alzheimer, bei der Vorbeugung von Arteriosklerose. Viele Möglichkeiten, die allerdings noch nicht wissenschaftlich belegt sind.

 

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  • Anwendung: Symptomatische  Behandlung bei leichten bis mäßig starken Schmerzen  und/oder Fieber (500 -1000 mg bis zu 3x täglich), Migräne
  • Vorbeugung und Behandlung von Herz-Kreislauf-Krankheiten, Vorbeugung von Herzinfarkt und Schlaganfall (50-100 mg täglich oder 300 mg/2x wöchentlich)
  • Wirkungsweise: Cyclooxygenasehemmung = Hemmung von Enzymen und Botenstoffen, die Schmerz, Fieber und Entzündung auslösen; Blutverdünnung durch Hemmung der Blutplättchen
  • Nicht anwenden: Unverträglichkeit (z.B. Asthma), Magengeschwür, Blutungsneigung, schwere Leber- und Nierenschäden, schwere Herzschwäche, Behandlung mit Gerinnungshemmern, Schwangerschaft ab dem 6. Monat, Kinder unter 12 Jahre (< 40 kg) nur nach ärztlicher Verordnung
  • Mögliche Nebenwirkungen: häufig Sodbrennen, Übelkeit, Bauchschmerzen, gelegentlich Magen-Darm-Blutungen, Hautreaktionen, Überempfindlichkeitsreaktionen, Asthma, Anämie (bei längerer Einnahme)
  • Mögliche Wechselwirkungen: Gerinnungshemmer, Glucocorticoide („Kortison“), Heparine, Selektive  Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer, Alkohol: erhöhtes Blutungsrisiko; andere nichtsteroidale  Analgetika: erhöhtes Risiko Magen-Darm-Geschwüre, Blutungen; Diuretika, Blutdruckmittel: Gefahr v. Nierenversagen; Antidiabetika: verstärkte Blutzuckersenkung; Digoxin (bei Herzschwäche), Valproinsäure (Epilepsie): verstärkte (Neben)wirkungen,
  • Diverse Blutdruckmittel und harnsäureausscheidende Mittel: abgeschwächte Wirkung
  • Einnahmehinweis: Nach den Mahlzeiten mit viel (200 ml) Wasser!
  • Überdosierung: Ohrensausen, Hörverlust, Kopfschmerzen, Schwindel

 

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