Trend Höhentraining im Studio – Wie effektiv ist es wirklich?

Trend Höhentraining im Studio – Wie effektiv ist es wirklich?

Ist Ihnen im Sportstudio bzw. Fitnesszentrum schon einmal dieser komische Glaskasten aufgefallen? „Hypoxiekammer“ steht daneben auf einer Tafel. Aber spektakulär sieht diese Kammer nicht gerade aus, wenn Sie mich fragen. Darin befinden sich Cardio-Gerätschaften wie Laufbänder, Fahrradergometer, Crosstrainer und alles andere, was auch in den anderen Räumen eines Fitness-Studios so herumsteht. Auch ein Monitor zur Ablenkung während des Ausdauertrainings ist dabei. Neugierig habe ich in einem unbeobachteten Augenblick den Kopf hineingesteckt: Die Luft scheint mir nicht anders beschaffen als jenseits der Glastür und es riecht typisch nach Schweiß, wie es halt im Fitness-Studio immer der Fall ist. Wie auch immer, jedenfalls brachte mich das auf die Frage, ob ein simuliertes Höhentraining wirklich so effektiv ist, wie allgemein angenommen. Ich habe Mal etwas nachgeforscht und die Ergebnisse dürften auch Sie überraschen.

Höhentraining – ein alter Trend lebt wieder auf?

Räume fürs Höhentraining gibt es inzwischen aber nicht nur in allerlei Fitness-Studios, sondern auch in privaten Instituten, Universitäten, Athletikzentren sowie in Privathaushalten von Sportprofis und Fußballstars. Es gibt sogar spezielle Hotels (Hypoxie-Hotel), welche mit Hypoxiezimmern ausgestattet sind.

Seinen Anfang nahm der Trend des Höhentrainings bei der Olympiade in Mexico City 1968: Die Stadt liegt in 3000 Metern Höhe und dementsprechend ist auch die Luft dort extrem dünn. Damals taten sich alle Sportler, die nicht in ähnlichen Höhen trainiert hatten, sehr schwer beim Wettkampf. Tatsächlich ist die Annahme von der gesundheits- und leistungsfördernden Wirkung der Höhenluft viel älter: Denn angeblich schickten schon die alten Griechen ihre Kranken in die Berge, damit sie dort genasen. Und auch heutzutage empfehlen Ärzte manchen ihrer Patienten einen Aufenthalt im Hochland.

Ist Höhentraining wirklich effektiver?

Natürlich sind die positiven Auswirkungen des Höhentrainings durch Untersuchungen belegt: So erwies beispielsweise eine Studie im Auftrag der Charité Berlin, dass die Höhentrainingsgruppe genauso viele Kilos abbaute, wie die Normalgruppe – allerdings musste die Normalgruppe eine höhere Trainingsintensität absolvieren, um das gleiche Ergebnis zu erzielen. Zudem erwies die wissenschaftlich betreute Aktion von Karstadt-Sport und der Höhenbalance AG, dass ambitionierte Läufer durch simuliertes Höhentraining ihre Bestzeit erheblich steigerten. Und noch eins: Die Bundesliga-Basketballspieler von Alba Berlin erholten sich in simulierter Höhe wesentlicher schneller von Wettkämpfen und Verletzungen als unter normalen Umständen. Grund für die schnelle Regeneration sei die vermehrte Produktion von roten Blutkörperchen.

Was passiert beim Höhentraining im Körper?

Die Verfechter des Höhentrainings pochen vor allem auf die leistungsfördernde Veränderung des Organismus. Diese erfolgt, weil in der Höhe nicht mehr so viel Sauerstoff aufgenommen werden kann wie im Flachland.

Übrigens ist es hier wichtig zu unterscheiden: In den Bergen ist nicht weniger Sauerstoff in der Luft, denn der Gehalt bleibt immer bei 20,9 % – egal ob Sie sich nun in München, am Kaspischen Meer oder auf dem Himalaya befinden! Was aber geringer ausfällt, ist der Luftdruck: Mit zunehmender Höhe kann der Luftdruck immer weniger Sauerstoff an unsere Blutkörperchen binden (Sauerstoffpartialdruck/ PO2), wodurch auch weniger Sauerstoff in die Muskeln abgegeben werden kann.

Doch zurück zum eigentlichen Thema: Weil wir also in der Höhe weniger Sauerstoff aufnehmen können als wir für unsere Muskelarbeit benötigen, muss der Körper diesen Mangel irgendwie kompensieren. Zunächst drosselt der Organismus deshalb die Leistungsfähigkeit herab. Kurz darauf, geht er aber an seine Reserven: Er produziert mehr rote Blutkörperchen, die ja für den Sauerstofftransport verantwortlich sind, um sich sein benötigtes Maß an Sauerstoff zu holen. Daher die Leistungssteigerung, der vermehrte Abbau von Stresshormonen, Verringerung des Bluthochdrucks und die Stärkung des Immunsystems. Hier noch einmal die positiven Aspekte im Überblick:

  • Erhöhung der Atemtätigkeit
  • Ansteigen der Erytrozytenzahl und der Hämoglobinwerte im Blut
  • durchlässigere Lungenmembran
  • Erweiterung von Muskelgefäßen
  • Ansteigen der Mitochondrien-Anzahl
  • Erhöhung des Fettstoffwechsels aufgrund vermehrtem Energieverbrauch

Contra Höhentraining

Allerdings ist in der Höhenkammer des Fitness-Studios nicht der niedrige Luftdruck für die reduzierte Sauerstoffversorgung verantwortlich: Ein sogenanntes Lowoxygen-System filtert stattdessen Sauerstoffanteile aus der Raumluft und reichert sie mit Stickstoffanteilen an. Auch können andere Belastungsfaktoren in den Bergen wie Luftdruck, Sonneneinstrahlung, Schweranziehungskraft usw. in der Kammer nicht simuliert werden. Daher ist der Trainingseffekt eher mit einem intensiveren Training vergleichbar als mit einem ausgefeiltem Höhentraining auf dem Berg. Positive Auswirkungen sind natürlich trotzdem zu beobachten, nur nicht im beworbenen Ausmaß. Außerdem spricht nicht jeder Organismus auf die veränderten Bedingungen in der realen oder simulierten Höhe an. Nikolaus Netzer vom Hermann Buhl Trainingszentrum meint dazu: „Die Wirkung hält im Flachland nur begrenzt an, da der Körper die zusätzlichen gebildeten roten Blutkörperchen schnell wieder abbaut.“ Generell sollen die Trainingseffekte nach dem Höhentraining maximal drei Wochen anhalten, nach spätestens drei Monaten sind sie völlig weg.

Vor allem die Studie von Carsten Lundby aus dem Jahr 2010 lieferte ernüchternde Ergebnisse: Der amerikanische Physiologe führte die erste doppelblinde Placebostudie zu diesem Thema durch. Das bedeutet, weder die Athleten noch die Wissenschaftler wussten, wer zu welcher Gruppe gehörte. Außer natürlich Lundby als Projektleiter. 16 Spitzensportler nahmen an dieser Studie teil und verbrachten drei Wochen auf 3000 Meter Höhe. Doch wider erwarten war weder ein Anstieg der Hämoglobinwerte noch der Muskeleffizienz festzustellen – aber ein Leistungsanstieg von fast vier Prozent. Der gleiche Effekt war bei der Gruppe, die ausschließlich im Flachland trainierte und lebte, zu sehen. „Die Leistungssteigerungen, die die bisherigen Studien ausgewiesen haben, basieren auf dem Placeboeffekt“, folgerte Lundby, selbst von dem Resultat enttäuscht.

Also alles Nonsense mit dem simulierten und realen Höhentraining? Das nun auch wieder nicht. „Sportsphysiologie hat viel mit Psychologie zu tun“, beschwichtigt Lundby. Es macht durchaus Sinn, ein Höhentraining auszutesten – sollten Sie selbst dann nach einer Weile Verbesserungen in Ihrer Leistungsfähigkeit bemerken, können Sie es weiter betreiben. Auch wenn Sie den Effekt mehr Ihrer Psyche zu verdanken haben als der Hypoxiekammer. Hauptsache fitter und gesünder! Wie heißt es so schön: Der Glaube versetzt Berge – und das können und dürfen wir für unsere Gesundheit ausnutzen!

 

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