Paleo-Diät: Die Steinzeitdiät verständlich erklärt

Paleo-Diät: Die Steinzeitdiät verständlich erklärt

Paleo- oder Steinzeitdiät – was ist das?

Die Paleo-Diät ist eine Ernährungsweise, die sich an vermuteten Ernährungsmustern der Altsteinzeit (Paläolithikum) orientiert. Korrekt übersetzt, müsste sie deshalb Altsteinzeit-Diät und nicht Steinzeit-Diät heißen. Die Altsteinzeit umfasst einen Zeitraum von rund 2,5 Millionen Jahren. Sie endete vor 20.000 bis 10.000 Jahren mit dem Aufkommen von Ackerbau und Viehzucht, der so genannten neolithischen (neusteinzeitlichen) Revolution. Namensgebend für die Steinzeit ist der in dieser Epoche von unseren Vorfahren begonnene und ausgebaute Gebrauch von Steinwerkzeugen.

In der Altsteinzeit lebten die Menschen als Jäger und Sammler. Von der Hand in den Mund kam wohl, was Mutter Natur an Essbarem bot: Blätter und Wurzeln von Wildgemüse, wild wachsende Beeren, Früchte, Nüsse, Samen und alles was sich an Fischen, Vögeln, Wild und sonstigem Getier einschließlich Fröschen und Insekten erwischen ließ. Da Ackerbau und Viehzucht noch in der Zukunft lagen, waren Milch und Milchprodukte ebenso unbekannt wie Getreide und Getreideprodukte. Die Paleo-Diät besinnt sich auf diese ursprüngliche Ernährungsweise zurück ohne aber auf kulinarische Vorzüge einer neuzeitlichen Kochkunst zu verzichten. Dabei gibt es unterschiedliche Strömungen, die mehr oder weniger rigorose Vorgaben machen.

Aber wie kommt man überhaupt auf die Idee, eine altsteinzeitliche Ernährungsweise könnte auch für uns die richtige sein? Dazu bedarf es eines kleinen Ausfluges in die Evolutionstheorie.

Paleo-Diät im Blickwinkel der Evolutionstheorie

Wie bei allen Lebewesen, ist auch die biologische Ausstattung des Menschen Ergebnis eines sich über viele Generationen erstreckenden Anpassungsprozesses an eine bestehende Umwelt. Dabei werden infolge von zufälligen genetischen Kopierfehlern, so genannten Genmutationen, immer wieder Individuen geboren, deren genetische Ausstattung sich in einem oder mehreren Merkmalen ein wenig von der der Vorläufergenerationen unterscheidet. Nachteilige Mutation verlieren sich auf kurz oder lang wieder aus dem „Survival of the Fittest“. Abweichungen ohne Vor- noch Nachteil bleiben eine kleine Minderheit. Bietet eine Mutation dagegen in ihrer Umwelt Vorteile, haben ihre Träger bessere Überlebens- und Fortpflanzungschancen. Sie und ihr Genom breiten sich aus.

Menschen haben einen langsamen Reproduktionszyklus. Sie werden und wurden erst mit 12 bis 15 Jahren fortpflanzungsfähig und oft verlängern kulturelle Schranken diese Latenz noch weiter. Es dauerte deshalb meist viele 1000 Jahre, bis eine zufällige aber vorteilhafte Mutation zahlenmäßig relevant und irgendwann vielleicht sogar zur Mehrheit innerhalb einer Population wurde. Damit das aber überhaupt passieren kann, müssen die herrschenden Umweltbedingungen lange genug stabil bleiben.

Evolutionsanthropologen gehen davon aus, dass die biologische Evolution des Menschen in dem Maße an Bedeutung verloren hat, wie die kulturelle Evolution zugenommen hat. Der Mensch hat sich irgendwann und verstärkt mit dem Beginn von Ackerbau und Viehzucht in der neolithischen Revolution zunehmend von der Notwendigkeit biologischer Anpassungsprozesse an seine Umwelt befreit. Er hat sich durch technische Errungenschaften künstlich der Umwelt angepasst oder gar umgekehrt die Umwelt sich angepasst. Die kulturelle Evolution hat also die biologische Evolution immer mehr erübrigt. Das heißt aber auch, dass der Mensch mit seinen biologischen Ausstattungen und Bedürfnissen, wozu selbstverständlich auch die Ernährung zählt, größtenteils irgendwo in der Altsteinzeit stehen geblieben ist.

Paleo-Diät = artgerechte Ernährung

So gesehen könnte an der Gleichung „Paleo-Diät = artgerechte Ernährung“ tatsächlich etwas dran sein. Denn wenn wir uns die Entwicklung des Homo sapiens bis heute als 24-Stunden-Uhr vorstellen, lebten wir weit über 23 Stunden als Jäger und Sammler der Altsteinzeit. Wir hatten schätzungsweise 200.000 Jahre oder – wenn man die Vorläufer des Homo sapiens noch mit einbezieht – sogar noch deutlich länger Zeit, uns genetisch an ihre Verhältnisse anzupassen. Dass im kleinen Rest unserer Evolutionsuhr noch allzu viel passiert ist, gilt als eher unwahrscheinlich. Allerdings bestätigen auch hier Ausnahmen die Regel, wie uns das später noch zu diskutierende Laktase-Gen, das Hirtenvölkern den Milchzucker als Energiequelle erschloss, zeigen wird.

Und noch ein kleiner Störgedanke: Was unsere Ernährung betrifft, sind wir nicht allein. In unserem Darm tummeln sich Billionen von Bakterien und naschen an allem mit, was wir zu uns führen. Als Gegenleistung erschließen sie uns über ihren Stoffwechsel einige Vitamine und Nährstoffe, an die wir ohne sie gar nicht heran kämen. Anders als Menschen reproduzieren sich Bakterien im Minutentakt. Entsprechend schnell verläuft ihre Evolution und die gesamte Population kann sich innerhalb weniger Wochen an neue Ernährungsverhältnisse ihres Wirts anpassen. Möglicherweise profitieren dabei auch wir von dieser rasanten Wandlungsfähigkeit unserer Mitbewohner und können uns durch ihre Mithilfe schneller auf neue Nahrungsangebote umstellen als es unsere langsame eigene Evolution vermuten lässt.

Unzureichende Einblicke in die steinzeitliche Speisekarte

Wie kann man heute ergründen, was Menschen in der Altsteinzeit aßen? Die Erforschung dieses Sachverhaltes stützt sich auf mehrere Säulen. Eine davon ist die Archäologie. Frühe Höhlenmalereien sind quasi erste überlieferte Aufzeichnungen, die uns unsere Vorfahren über ihr Leben hinterlassen haben.

Post aus der Altsteinzeit

Die dort abgebildeten großen Jagdtiere wie Mammut oder Wildrinder geben aber mit Sicherheit nur einen kleinen und vielleicht sogar eher ausnahmsweisen Ausschnitt der paläolithischen Speisekarte wider. Ähnlich selektive Ergebnisse kommen aus archäologischen Ausgrabungsstätten. Zwar kann man dort den einen oder anderen mit Steinwerkzeugen abgeschabten Knochen eines den frühen Menschen nährenden Beutetieres finden, zuordnen und mit chemophysikalischen Methoden auch sein Alter bestimmen. Die meisten Bestandteile steinzeitlicher Ernährung dürften aber nicht haltbar genug gewesen sein, um noch heute auffindbare Spuren zu hinterlassen.

Anthropologische Feldforschung bei heute noch lebenden „Steinzeitvölkern“

Eine zweite wichtige Säule ist deshalb die Analyse der Ernährungsgewohnheiten heute oder in der näheren Vergangenheit noch auf Sammler- und Jägerniveau lebender, von der Zivilisation abgeschirmter Naturvölker. An ihrem Beispiel versuchen Anthropologen und Ethnologen, weitere Einblicke in die steinzeitliche Speisekarte zu erlangen. Dabei wird aber schnell klar, dass die Ernährungsweise der noch verbliebenen Naturvölker hoch unterschiedlich ist. In Polarregionen wird ganz anders gegessen als in den Tropen. Und ähnlich dürfte auch schon in der Steinzeit die Ernährung der damals lebenden Menschen in Abhängigkeit von geographischen Bedingungen hoch unterschiedlich gewesen sein.

Zudem gilt zu berücksichtigen, dass die noch existenten Naturvölker überwiegend in einer extremen ökologischen Nischensituation leben. Wahrscheinlich gibt es sie nur deshalb heute immer noch, weil dort wo sie leben, die Mehrheit der Menschen nie leben wollte. Auch ihre Ernährungsweisen könnten deshalb eher Ausnahmen als Regeln altsteinzeitlicher Speisepläne widerspiegeln.

Paleo-Diät – Rückschlüsse aus Anatomie und Stoffwechsel

Schließlich gibt es Versuche, eine artgerechte Ernährung des Menschen aus seiner Anatomie, die zumindest in der späteren Altsteinzeit bereits weitgehend der heutigen entsprach, zu erschließen. Es gibt Forscher, die den Menschen eher als Fruchtesser angelegt sehen. Andere bevorzugen die These vom Wurzel- und/oder Samenesser und wieder andere vertreten die Theorie vom fleischliebenden Raubaffen. Nicht selten sind diese unterschiedlichen Sichtweisen ein wenig ideologiebehaftet und jeder kann für seine These ein Argument aus Körperbau oder Stoffwechsel des Menschen heranziehen. Da der Mensch vieles aus dem Pflanzen- und Tierreich kauen und verdauen kann, taugt er zum Allesesser. So ist etwa sein Darm im Verhältnis zur Körpergröße länger als der eines reinen Fleischfressers und kürzer als der der meisten reinen Pflanzenfresser. Aber nicht alles, von dem er leben kann, ist auch optimal für ihn. Man könnte vielleicht sogar viele Jahre lang nur von Fertigpizza und anderem Junkfood existieren. Ob man damit aber bis ins hohe Alter gesund bleibt, ist mehr als fraglich.

Was soll raus aus der Steinzeit-Diät?

Ihren Verzicht auf bestimmte Nahrungsmittel begründen Anhänger der Paleo-Diät nicht allein mit dem Argument, dass es dieses oder jenes in der Altsteinzeit noch nicht gab. Zusätzlich suchen und finden sie Hinweise, wonach die abgelehnten Lebensmittel vielen von uns tatsächlich nicht gut tun. Bei einigem gibt es da wenig Kontroversen zu etablierten Ernährungslehren: Künstliche Geschmacksverstärker, Konservierungs-, Farb- und sonstige Zusatzstoffe sowie alle industriell verarbeiteten Lebensmittel, die damit versehen sind, haben auf einem gesundheitsbewussten Tisch ebenso wenig zu suchen wie Süßwaren und anderes Dickmachknabberzeug, Zucker, gesüßte Getränke und überzuckerte Obstsäfte. Darüber hinaus hat die Steinzeit-Diät aber auch was gegen einige Lebensmittel, die die meisten Ernährungswissenschaftler zu den gesunden Grundnahrungsmitteln zählen; so etwa Milch und Vollkorn.

Paleo-Diät bedeutet Milchverzicht

Wie bei den meisten Säugetieren, verebbt üblicherweise auch bei Menschen mit dem Heranwachsen die körpereigene Laktaseproduktion. Laktase ist ein Enzym, das notwendig ist, um den Milchzucker Laktose im Dünndarm zu spalten und zu verwerten. Fehlt es, steht der Milchzucker der Energieversorgung des Körpers nicht zur Verfügung und er gelangt in den Dickdarm, wo er von Darmkeimen vergoren wird. Dabei kommt es zu den typischen Beschwerden wie Blähungen, schmerzhaften Bauchkrämpfen und Durchfällen, die Menschen mit Milchzuckerunverträglichkeit (Lakoseintoleranz) erleiden, sobald sie Milchzucker in offener oder versteckter Form zu sich nehmen.

Vor schätzungsweise sieben- bis achttausend Jahren passten sich jedoch europäische Hirtenvölker der Laktose biologisch an. Eine Genmutation hatte dafür gesorgt, dass Laktase ohne Altersbegrenzung produziert wird und Milchzucker ohne Beschwerden gespalten und verwertet werden kann. Hirten mit altersloser Milchverträglichkeit – diese Kombination war offensichtlich ein deutlicher Überlebensvorteil, der sich regional begrenzt vergleichsweise rasch durchsetzte und ein rares Beispiel für eine in relativ junger Vergangenheit erfolgte genetische Anpassungsleistung ist. In Nord- und Mitteleuropa und in von Auswanderern aus diesen Länder besiedelten Teilen der Neuen Welt vertragen heute etwa 90 Prozent der Menschen auch im Erwachsenenalter Milch. Bereits bei Südeuropäern nimmt diese Toleranz ab und weltweit ist Milchzucker für etwa 75 Prozent der Menschheit immer noch ein Problem.

Diese Zweiteilung teilt auch das paleodiätische Lager. Während die einen denen, die Milch und Milchprodukte vertragen, diese auch zugestehen, ist den anderen die weltweite Dominanz der Milchzuckerunverträglichkeit Grund genug, allen von Milch und Milchprodukten als nicht artgerecht abzuraten. Die neuzeitliche Mutation des Laktasegens mag zwar vor Milchzuckerunverträglichkeit schützen, aber womöglich nicht vor weiteren kritischen Inhaltsstoffen der Milch. So werden etwa bestimmte Kuhmilcheiweiße verdächtigt, bei Kindern das Risiko für Typ 1-Diabetes und andere Autoimmunerkrankungen zu erhöhen.

Einig sind sich die beiden Lager aber wieder in der Feststellung, dass Milch suspekt genug ist, um einen einmonatigen Auslasstest ohne jede Milch und ohne jedes Milchprodukt zu unternehmen. Wem es dabei besser geht, der wird wohl von alleine seinen Milchkonsum überdenken.

Paleo-Diät und Getreide – Ist Getreide wirklich gesund?

In der Ablehnung von Getreide und Getreideprodukten überschneiden sich Paleo- und Low Carb-Diäten. Sie finden sich damit im Gegensatz zur Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), für die Getreide und ihre Produkte die breite Basis der Ernährungspyramide sind. Nur Vollkorn solle es halt sein. Inzwischen verdichten sich aber die Hinweise, dass selbst Vollkorngetreide für viele Menschen nicht so gesund ist wie es vielfach dargestellt wird.

Treibstoff zu Heißhunger, Übergewicht und Diabetes

Führen wir uns mit dem Essen mehr Energie zu als wir durch körperliche Aktivität verbrauchen, wird der Überschuss in Fett angelegt. Besteht das Missverhältnis längere Zeit fort, werden wir dick und es drohen uns Folgekomplikationen des Übergewichts wie insbesondere Bluthochdruck und Typ 2-Diabetes. Um dem zu begegnen, müssen wir uns mehr bewegen und/oder weniger essen. Mehlspeisen machen es allerdings besonders schwer, weniger zu essen. Denn in Getreide und daraus hergestellten Produkten liegen Kohlenhydrate hoch konzentriert zu Stärke gebündelt vor. Stärke kann vom Körper schnell und leicht in Glukose (Traubenzucker) umgebaut werden. Hohe Traubenzuckerspiegel im Blut beantwortet die Bauchspeicheldrüse – solange sie das noch kann – mit einer hohen Insulinausschüttung. Insulin ist ein unverzichtbarer Türöffner, der Glukose als Treibstoff in Muskel- und andere Körperzellen bringt. Was an Traubenzucker nicht akut gebraucht wird und auch keinen Platz mehr in den Glykogen-Kurzzeitspeichern der Muskeln hat, wird ebenfalls mit Hilfe von Insulin in Depotfett umgewandelt. Hohe Insulinspitzen wirken aber gleichzeitig appetitanregend. Da sie nach ihrem Aufflammen unser Blut in eine relative Unterzuckersituation treiben, bekommen wir als Gegenreaktion Lust auf Zucker- bzw. Stärkenachschub. Der dick machende Teufelskreis bleibt in Schwung. Unabhängig vom tatsächlichen Energiebedarf, sind wir nach einer stärke- bzw. zuckerreichen Mahlzeit rascher wieder hungrig als nach einem Essen, das bewusst auf schnell verfügbare Kohlenhydrate verzichtet.

Übergewicht und ständig hohe Insulinspitzen führen oft zur Insulinresistenz. Gewissermaßen als Gewöhnungseffekt, benötigt der Körper immer mehr Insulin, um seinen Zuckerstoffwechsel zu bewältigen. Kann die Bauchspeicheldrüse diesem Mehrbedarf nicht mehr nachkommen, ist der Mensch zuckerkrank (Typ 2-Diabetes). Zudem werden die bei Insulinresistenz dauerhaft erhöhten Insulinspiegel als möglicher Wachstumsfaktor bösartiger Tumoren diskutiert.

Weißmehlprodukte lassen Zucker- und Insulinspiegel stärker explodieren als Vollkornprodukte; aber auch deren Sprengkraft ist für viele noch zu hoch, so Stimmen aus der Paleo- und Low-Carb-Ecke. Spätestens wenn Blutuntersuchungen beim Arzt einen beginnenden oder drohenden „Altersdiabetes“ anzeigen, sollte man mal schauen, inwieweit ein konsequenter Verzicht auf Süßes und Getreidiges diese Entwicklung wieder revidieren kann. Noch besser wäre, es dank einer artgerechten Lebensweise erst gar nicht so weit kommen zu lassen.

Getreideunverträglichkeit mit hoher Dunkelziffer

Getreide hat aber noch mehr Negatives zu bieten als eine dick machende, diabetogene Potenz. Nach Auskunft der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft leiden 0,5 bis ein Prozent der mitteleuropäischen Bevölkerung an Zöliakie. Dabei handelt es sich um eine durch Gluten ausgelöste entzündliche Immunerkrankung des Dünndarms. Das Klebereiweiß Gluten findet sich in fast allen Getreidearten und ist besonders hoch im Weizen. Essen Menschen mit Zöliakie Glutenhaltiges, reagieren sie akut mit Durchfall und Bauchschmerzen. Bei fortgesetztem Konsum droht eine chronische Darmentzündung mit Zottenschwund und gestörter Barrierefunktion der Dünndarmwand. Von manchen Stoffen gelangt dann zu wenig und von anderen zuviel ins Blut, was Mangel- und Vergiftungserscheinungen nach sich ziehen kann.

Für manche getreidekritischen Wissenschaftler ist die manifeste Zöliakie nur die Spitze des Eisberges der Getreideunverträglichkeiten. Weit häufiger seien Menschen, die mit unterschiedlichsten funktionellen Beschwerden wie Bauchgrimmen, Stuhlunregelmäßigkeiten, diffusem Unbehagen, Migräne, chronischer Müdigkeit, Muskel- und Gelenkbeschwerden auf Gluten oder andere Getreideeiweiße reagieren. Betroffenen könnte ein konsequenter Getreideauslassversuch Klarheit bringen und bei positivem Ergebnis eine grundlegende These der Paleo-Diät stützen: Getreideverzehr ist nicht artgerecht und sollte deshalb weitestgehend, nicht erst wenn Probleme spürbar werden, unterbleiben. Mit ähnlichen Argumenten werden tatsächlich oft schwer verdauliche Hülsenfrüchte (jedes Böhnchen ein Tönchen) abgelehnt.

Paleo-Diät Speiseplan: Modern altsteinzeitkonform essen

Sie wissen jetzt, was auch Sicht der Paleo-Diät aus ihrem Speiseplan raus soll. Aber was soll, muss und darf rein?

Fleisch aus Weidehaltung mit Wildqualität

Als Jäger hatten unsere Vorfahren mit Sicherheit Fisch und Wildfleisch auf dem Tisch. Da Wild unseren Bedarf heute kaum mehr decken könnte, interessiert die Frage, inwieweit Haustierfleisch ein würdiger Ersatz ist.

Auch für Nutzvieh gilt, dass es ist was es isst. Das Fleisch von unter freiem Himmel grasenden Weidevieh hat zum Beispiel einen deutlich höheren Anteil an gesunden Omega-3-Fettsäuren als das von in Ställen gehaltenen Rindern, die nicht artgerecht mit Getreide und industriell aufbereitetem Kraftfutter gemästet werden. Ob Sie sich also ein Steak vom Hirsch oder eines vom Rind gönnen, scheint ebenso sekundär wie der Einwand, dass es viele Beutetiere der Steinzeit heute gar nicht mehr gibt. Entscheidend für die gesundheitsrelevante Qualität des Fleisches ist, dass die Tiere, von denen es stammt, so leben durften wie es ihre Evolution für sie vorgesehen hat. Ähnliches gilt für Geflügel, Eier und Fisch. Wer das nicht glaubt, sollte wenigstens den in dieser Aussage steckenden Tierschutzgedanken würdigen.

Pflanzenkost möglichst abwechslungsreich, naturbelassen und spritzmittelfrei

Die Ansicht, dass wir uns heute dankt exotischer Fruchtimporte abwechslungsreicher ernähren als früher, ist falsch. Das pflanzliche Ernährungsspektrum unserer Vorfahren war weitaus breiter als unser heutiges und versorgte sie mit einem entsprechenden Mehr an gesunden Vitaminen, Spurenelementen und sekundären Pflanzenstoffen. Neben Pilzen und Nüssen aßen sie Wurzeln, Blätter, Früchte und Samen von zahllosen Pflanzen, die wir heute, wenn überhaupt, dann höchstens noch als Unkraut kennen.

Wer die Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) befolgt, täglich mindestens fünf Portionen (= handvoll) frisches Obst, Gemüse und Salat zu essen, ist schon ziemlich auf der richtigen Seite. Nur sollte man als Paleo-Diätiker diese Empfehlung möglichst facettenreich umsetzen, Spritzmittel ächten und sich auch auf Vergessenes, Altbewährtes besinnen. Praktische Anregungen erhalten Sie z.B. im Internet unter dem Suchmaschinenbefehl „Unkräuter essen“. Löwenzahn, Giersch, Gundermann, junge Brennnesseln und Vogelmiere sind nur einige von vielen „Unkräutern“, die sich als geschmackvolle und gesunde Salatkomponenten eignen. Mit ihnen erhalten Sie die aus modernen Gemüsesorten oft heraus gezüchteten verdauungsfördernden Bitterstoffe sowie immunstimulierende Scharfstoffe. Wichtig ist allerdings, die wilden Kräuter an Orten ohne Schadstoffbelastung und fernab von Gassimeilen zu sammeln.

Pflanzliche Kost oder Fleisch – Was dominiert die Paleo-Küche?

Unter den Anhängern von Paleo-Diäten gibt es solche, die mehr und solche, die weniger auf Fleisch setzen. Letztere führen gern einen Vergleich von zwei sich entsprechend gegensätzlich ernährenden Naturvölkern ins Feld: Etwa die überwiegend Fleisch und Fisch essenden Inuit der Polarregionen und die eher einer pflanzlichen Ernährungsweise zusprechenden aber keineswegs völlig fleischabstinenten Kitavi, ein Inselvolk aus dem tropischen Papua-Neuguinea. Die deutlich höhere durchschnittliche Lebenserwartung der Kitavi spreche auch für deren Ernährungsstil. Selbst wenn es möglicherweise ganz andere Gründe als solche der Ernährung sind, die das Leben der Inuit verkürzen, könnte am Vorbehalt gegen exzessive Fleischkost schon was dran sein. Dem pflichtet immerhin auch die moderne konventionelle Ernährungslehre bei, wonach zuviel Fleisch den Organismus zu übersäuern droht, während pflanzliche Kost für eine gesündere basische Dominanz sorgt. Demnach sollte Fleisch eher Beilage denn Hauptbestandteil eines gesunden Essens sein. In einem aber sind sich die Sammler- und die Jägerfraktionen der Paleo-Diät wieder einig. Wenn Fleisch, dann hochwertiges aus artgerechter Haltung und nur in unverarbeiteter Form, also etwa keine mit zahlreichen Zusatzstoffen versehene Wurstwaren.

Paleodiätische Fettempfehlungen

Mehrfach ungesättigte Fettsäuren wie Omega 3- und Omega 6-Fettsäuren hatten in populären Ernährungsratgebern lange Zeit das beste Image. Heute weiß man, dass weniger die absolute Menge dieser Fette als vielmehr das Verhältnis von Omega 6 zu Omega 3-Fettsäuren in unserer Ernährung zählt. Während dieses bei Naturvölkern mit 2:1 bis 1:1 ermittelt wurde, liegt es in der durchschnittlichen Zivilisationskost bei 10-20:1. Dieses Missverhältnis ist bedenklich und wird unter anderem für die Zunahme chronisch entzündlicher Erkrankungen verantwortlich gemacht. Tatsächlich nutzt der Körper Omega 6-Fettsäuren zur Produktion proentzündlicher Botenstoffe, während aus Omega 3-Fettsäuren antientzündliche Gegenspieler gebildet werden.

Paleo-Diät bedeutet auch: Mehr Omega 3 und weniger Omega 6

Wichtig wäre demnach, die Zufuhr von Omega 6-Fettsäuren zu drosseln und die Zufuhr von Omega 3-Fettsäuren zu steigern. Die Paleo-Diät verbannt deshalb die meisten Pflanzenöle und insbesondere die extrem Omega 6- betonten Angebote wie Distelöl (148:1), Traubenkernöl (138:1) und Sonnenblumenöl (122:1) vom Tisch. Und selbst gegen Öle mit vergleichsweise gutem Omega 6-Omega 3-Verhältnis wie Rapsöl (2:1), Hanföl (3:1) und Leinöl (1:4) bestehen Vorbehalte. Aufgrund der Oxidationsfreudigkeit mehrfach ungesättigter Fettsäuren werden diese Öle während der Lagerung leicht ranzig und verlieren ihren Wert als  Omega 3-Fettsäuren-Lieferant. Zuverlässiger sei, diese essenziellen Fettsäuren via fettem Seefisch oder mit Fleisch aus Weidehaltung zuzuführen.

Oliven- und Kokosöl

Zur Zubereitung von Salaten setzt die Paleo-Diät im Einklang mit der konventionellen Ernährungslehre vorrangig auf hochwertiges Olivenöl, das hauptsächlich aus einfach ungesättigten Fettsäuren besteht. Zum Backen und Braten wird in der Paleo-Diät häufig Kokosöl (nicht zu Verwechseln mit industriell gehärtetem Palmfett) empfohlen. Hauptsächlich aus kurz- und mittelkettigen gesättigten Fettsäuren bestehend, ist es lagerungs- und hitzestabil, hat keinen Einfluss auf das Omega 6- zu Omega 3-Fettsäurenverhältnis und ist ein gut bekömmlicher Energie- und Geschmacksträger.

Paleo-Diät muss schmecken

Wie bei jeder Diät gilt auch für die Paleo-Diät, dass sie von Menschen nur dann längerfristig umgesetzt wird, wenn sie schmeckt. Solange sie nicht in offensichtlichem Widerspruch zu einer artgerechten Ernährung stehen, sollen und dürfen deshalb die kulturellen Errungenschaften einer kulinarischen Küche ausgiebig genützt werden. Wie das konkret aussehen kann, verrät ein Blick in die inzwischen zahlreichen paleodiätischen Kochbücher oder auf Internetseiten wie www.urgeschmack.de.

Essen bewegt nicht mehr: Dem inneren Schweinehund auf die Sprünge helfen

Die Evolution hat uns Menschen auf Bewegung getrimmt. Bewegungsmangel gilt neben ungesundem Essen als zweiter wichtiger Risikofaktor für zahlreiche Zivilisationskrankheiten. Unsere Vorfahren hatten damit kein Problem. Denn in der Altsteinzeit und auch noch die meiste Zeit danach setzte Essen Bewegung automatisch voraus. Die tägliche Nahrung war nicht im Supermarkt zu erstehen sondern sie musste beim Sammeln oder Jagen erlaufen und später noch lange Zeit körperlich hart erarbeitet werden. Heute bekommen wir den Bauch in der Regel ohne jede Anstrengung voll. Ein Missverhältnis aus zu viel Energiezufuhr und zu wenig bewegtem Energieverbrauch mündet rasch im Übergewicht und seinen Folgen. Deshalb ist neben gesundem, artgerechtem Essen freiwillige Bewegung angesagt. Warum uns die oft so schwer fällt, ist ebenfalls in unserem steinzeitlichen Erbe begründet. Denn ohne akuten oder absehbaren Hunger bewegten sich auch unsere Vorfahren wenig. Waren sie satt, legten sie sich auf die faule Haut. In dauersatten Zeiten ist diese Konsequenz aber gesundheitlich nicht mehr haltbar. Wer sich diese Zusammenhänge klar macht, dem fällt es womöglich deutlich leichter, seinem aus der Altsteinzeit stammenden inneren Schweinehund auf zeitgemäße Sprünge zu helfen.

Paleodiätisches Basisprogramm im 30-Tage-Test

Thesen zu einer gesunden Lebensführung sind am überzeugendsten, wenn sie am eigenen Leib positiv erfahrbar werden. Wegbereiter und Anhänger der Paleo-Diät raten daher, ihre Basisempfehlungen 30 Tage zu testen und zu prüfen, inwieweit sich subjektives Wohlbefinden sowie objektive Parameter wie Gewicht, Blutzucker, Blutfette und Blutdruck zum Besseren wenden. Wer es ganz genau wissen will, lässt seine Werte zu Beginn und am Ende des Testmonats messen.

Paleo-Diät Checkliste: Was wichtig ist!

Typische Paleo-Lebensmittel

  • Verbanne aus Deinem Speisezettel alle Fertigprodukte. Sie sind oft gespickt mit gesundheitlich bedenklichen Zusatzstoffen. Ihr vorrangiger Zeck ist, den industriellen Herstellungsprozess zu vereinfachen, zu verbilligen und die Haltbarkeit zu erhöhen.
  • Keinen Zucker. Wir nehmen mit Obstverzehr bereits ausgiebig Zucker auf. Jede Extraportion begünstigt Übergewicht, strapaziert unnötig unsere Bauchspeicheldrüse und unsere Zähne. Unter das Zuckerverbot fallen insbesondere auch Limonaden und Obstsäfte. In einem Liter Apfelsaft steckt etwa genauso viel Zucker wie in einem Liter Cola: rund 30 Würfel.
  • Kein Getreide und keine Getreideprodukte. Also weder Mehlbackwaren noch Nudeln. Nach paleodiätischen Vorstellungen hatte die Menschheit nicht genug Zeit, sich optimal einer getreidehaltigen Ernährung anzupassen. Oft merken Menschen erst dann, dass ihnen Getreide nicht gut tut, wenn sie es einige Zeit weglassen.
  • Ähnliches gilt für Hülsenfrüchte, Milch und Milchprodukte. Also im Testmonat konsequent darauf verzichten.
  • Beschränke Dich bei Fetten zur Salat und Speisenzubereitung auf hochwertiges Oliven- und Kokosöl. Insbesondere müssen alle mehrfach ungesättigte Pflanzenöle, die die ungesunde Dysbalance zwischen Omega 6- und Omega 3-Fettsäuren fördern, vom Tisch.
  • Mache frisch zubereitetes Blatt- und Wurzelgemüse sowie knackig frische Salate zur Basis Deiner Ernährung, möglichst aus biologischem Anbau. Nütze die breite Palette, die die Natur zu bieten hat, einschließlich Wildkräuter.
  • Genieße – kulinarisch gebraten, gegrillt oder gekocht – Seefisch, Fleisch und Eier, vorzugsweise von Tieren aus artgerechter Freilandhaltung.
  • Nasche Nüsse und Obst. Erdnüsse sind übrigens keine Nüsse sondern Hülsenfrüchte.
  • Lösche Deinen Durst vorzugsweise mit reinem Wasser.
  • Integriere Bewegung in Deinen Alltag. Meide grundsätzlich Lifte und Rolltreppen und lege so viele Routinewege wie möglich zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurück.

 

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